Perspektive als Frage des Blickwinkels
Ein Ausstellungskonzept von Tabea Tremmel
Wie wohl die meisten Projekte begann auch dieses mit einer Idee und vielen Fragen. Der zu Grunde liegende Gedanke für mein Ausstellungskonzept war es, die typische Museumserfahrung aufzubrechen. Aber wie könnte man das erreichen? Die Besucher*innen sollen losgelöst von der betrachtenden Position ein aktiver Teil des Raumes werden. Deshalb habe ich interaktive Stationen für den Raum ausgearbeitet. Die Museumsbesucher*innen sind dazu aufgefordert, eigene Zusammenhänge und Schlüsse zu ziehen. Es soll keine „richtige“ Wahrnehmung oder Interpretation des Raumes geben. Besucher*innen sollen dazu angeregt werden, die vielschichtigen Bedeutungsebenen des Raumes selbst zu erkunden. Die Schlüsselbegriffe des Konzeptes, die mir dabei halfen mich bei der Werkauswahl zu orientieren, sind Reflexion, Perspektive und Blickwinkel. Sie alle, sind im wahrsten Sinne, aber auch sprichwörtlich in meinem Raumkonzept zu entdecken.
„Eine Schatzsuche in der Sammlungsdatenbank des Lentos“
Nachdem ich grob definiert hatte, welche Werke für mein Vorhaben stimmig sind, begann ich die Sammlung des Lentos Kunstmuseum Linz, die online einsehbar ist, zu durchstöbern. Im Hinterkopf immer mit dabei die drei bereits genannten Begriffe: Perspektive, Blickwinkel und Reflexion. Es blieben am Ende 38 Werke übrig. Der nächste Schritt war es, die interaktiven Stationen auszuarbeiten, die wir bei einem virtuellen Rundgang noch einmal genauer betrachten werden.
„Ausstellungsarchitektur und Hängung“
Danach folgte die Wahl eines Raumes und diesen (theoretisch), zu gestallten. Der für mein Konzept ausgesuchte Raum ist 16 Meter lang und acht Meter breit. Es ist angedacht, eine Wand mit sechs Metern Länge einzuziehen. Es bleibt ein vier Meter langer Durchgang, um von der einen Raumhälfte in die andere zu gelangen. Alle Wände sollen weiß sein. Des Weiteren soll ein Boden aus OSB Platten (Grobspanplatten) gelegt werden. Nicht gerahmte Werke sollen Rahmen aus Birkenholz bekommen. Alle Werke würden so gehängt werden, dass ihre Mitte auf eine Blickhöhe von 1,40 m liegt. Dies soll möglichst vielen Menschen die Möglichkeit geben, mit den Werken zu interagieren. Zusätzlich zu kleinen und dezenten Infotafeln neben den Werken wird es ein Raumheft geben, in dem mehr Informationen zu Werken und Künstler*innen zu finden sind. Hier wären auch die interaktiven Stationen erklärt. Bezüglich Beleuchtung sind in der Abbildung, die zusätzlich zum Tageslicht, anzubringenden Spots zu sehen. Sie haben den Zweck, die Besucher*innen dem ebenfalls eingezeichneten Weg nach, zu leiten. Die „Leserichtung“ des Raumes ist auf der Abbildung von rechts nach links.
„Traum“
Der/Die Museumsbesucher*in ist dazu eingeladen, in den Raum einzutauchen, wie in einen Traum. Durch das Betrachten scheint es, als ob das Werk sich wellenartig bewegen würde.
„Bauten“
Man begibt sich zu den Bauten, die wie aus einem Traum entsprungen sind. Von der Brücke über die Tonleiter bis hin zu dem Ort, an dem Zukunft und Vergangenheit zur selben Zeit stattfinden. Das im Boden liegende Werk und das Werk Tonleiter geben den Besucher*innen zwei Wege. Man ist zwischen den beiden Werken und somit das Verbindungsstück.
„Der Mensch in der Stadt“
Aus den Bauten entsteht eine bewohnte Stadt. Es geht langsam hin zum Menschen. Das Werk von Gustav Klimt wird in einer gläsernen Vitrine platziert. Hier sind die Besucher*innen dazu eingeladen, auf dem Glas zu zeichnen. Sie haben somit die Möglichkeit, das Werk mitzugestalten.
„Der Blick“
Hier ist die Unterschiedlichkeit des Blicks thematisiert. Das mittlere Werk von Clara Siewert bildet die nächste interaktive Station. Auch hier kommt eine Vitrine aus Glas zum Einsatz. Darauf soll der Umriss einer Hand zu sehen sein, dort, wo die gehobene Hand im Porträt ist. Die Besucher*innen sind dazu eingeladen, ihre Hand auf diese Position zu legen und Auge in Auge zu verweilen. Der/Die Betrachter*in wird zum/r Betrachteten.
„Was wird gesehen?“
Die längste Wand des Raumes bietet unterschiedliche Möglichkeiten der Kontextualisierung. Sie zeigt verschiedene Arten des Darstellens. Die Zusammenstellung der Werke lädt dazu ein, mögliche Verbindungen und Verknüpfungen zu entdecken und zu schaffen. Im Durchgang von der einen Raumhälfte in die andere soll das Werk von Miyamoto Kazuko das Hinübergehen signalisieren.
„Nacktheit“
Auch an dieser Wand gibt es wieder eine interaktive Station. Vor dem Frauenakt von Hans Makart soll ein Vorhang so montiert sein, dass der Frauenkopf noch zu sehen ist, auch wenn der Vorhang geschlossen ist. Die Besucher*innen sind dazu angehalten, eine Handlung zu setzen und müssen aktiv entscheiden, wieviel sie vom nackten Körper der Frau sehen wollen.
„Reflexion – Der Blick in den Spiegel“
Der Blick in den Spiegel und auf das Selbst hat viele Facetten. Die Besucher*innen sind dazu eingeladen, sich selbst zu sehen und für einen kurzen Moment Teil des Raumes zu werden. Der Inhalt der Werke löst sich langsam wieder los vom Menschen. Das Thema wird mit dem Whiteboard abgeschlossen. Wer möchte, kann es nutzen, um die eigenen Gedanken an dieser Stelle zu formulieren oder zu visualisieren.
„Der Tonangebende Titel“
Ob hier Titel und Werke zusammenstimmen, ist eine Frage der eigenen Wahrnehmung und des eigenen Blickwinkels. Vor dem Ausgang ist das letzte Werk, wieder im Boden liegend. Es soll ein bewusstes Verlassen des Raumes andeuten.
Künstler*innen – und Werkliste:
(alle Werke sind hier inkl. Abbildung einsehbar)
Aigner Fritz, Blick in den Spiegel, 1964
Andric Branko, Transvulvium, 1979
Bayer Herbert, Aspen trees, in search of times past, 1959 / Lonely Metropolitan, 1932 / Selfportrait, 1932
Bechtold Gottfried, Fingernägelschneiden, 1973
Bornefeld Julia, Spinne, 2003
Brehm Dietmar, Blicklust, Eine Beschattung- das Geheimnis der Lagune,
Ebenhofer Walter, Esplandil, 1985
Eisenberger Christian, ohne Titel, 2020
Export Valie, Selbstporträt mit Stiege und Hochhaus, 1989 / Syntagma, 1983
Haas Rudolf, Hommage a Andre- Märzschnee, 1983
Haesele Emmy, Die Brücke, 1970
Heerich Erwin, aus der Mappe „Doppelungen“
Hohenbüchler Irene und Christine & Jerzy Caryk und Krzysztof Zukowski, aus der Serie „Talking with ourselfs“, 1991
Hrdlicka Alfred, Der Spiegel-Stripteas in Soho, 1968
Huber Timo, Auf dem Verhandlungstisch, 2018
Jurina Isolde, Hingekauerte, 1960
Klimt Gustav, Frauenkopf, 1917
Kolar Jiri, Das ausruhende Nationaltheater, 1960 / Ville Jalouse, 1970
Korab Karl, Peripherie, 1964
Kubin Alfred, Der Einschleicher, 1925
Loidl Kathaina Anna, Stahlstadtvisionen, 1871,2017
Makart Hans, Frauenakt, 1866
Miyamoto Kazuko, Two dogs running pattern, 1979
Neshat Shirin, Stripped, 1996
Rohrberg Jürgen, Raumwellen, 1964
Rustin Daniela, Erinnerter Harlekin, 1951
Siewert Clara, Selbstporträt mit erhobener Hand, 1895
Strobel Ingeborg, To be or not to be, 1996
Trautner Elfriede, Feministinnen, 1977
Tschirtner Oswald, Ein schöner Schmetterling, 1971
Watzl Anton, Häuser, 1953
Wegerbauer Johannes, ohne Titel, 1992
Zamp Kepl Günter, Giant Gamut, Tonleiter, Big Piano, 1972
Zrdahal Ernst, Schuhsolen, 1973