Blickpunkt: Talk mit Andreas Strohhammer

Im Interview mit dem Restaurator Andreas Strohhammer

Ein Text von Dana Patsch und Polina Afanasyeva

Im Zuge unserer Lehrveranstaltung erzählte Andreas Strohhammer, Restaurator und Leiter des Art Handlings in den Museen der Stadt Linz, von der Vielseitigkeit der restauratorischen Tätigkeiten in einem Museum. Beispielsweise erfuhren wir Näheres über die Anfertigung sogenannter Zustandsprotokolle, die im Zuge der Leihe eines Kunstwerkes erstellt werden müssen. Andreas Strohhammer hat uns die Möglichkeit gegeben, die Restaurierung aus der internen Museumsperspektive zu betrachten, und uns geholfen, die Prozesse zu verstehen, die mit der Untersuchung von Gemälden auf ihre Geschichte oder ihre Echtheit verbunden sind.

Fact-Sheet zu den besprochenen Inhalten im Interview

  • Besonders arbeitsintensive Auf- und Abbauphasen einer Ausstellung
  • Protokollierung der Zustände von Kunstwerken
  • Viele Reisen als Kurier – Warum begleitet ein/e Restaurator*in das Werk auf seiner Reise?
  • Die Bedeutung der Konservierung in einem Museum
  • Möglichkeiten, um Fälschungen zu erkennen
  • Die Herausforderung bei zeitgenössischer Kunst aufgrund ihrer Materialvielfalt

→ Wenn Dich unser Fact-Sheet neugierig gemacht hat, dann erfährst du genauere Informationen zum Thema Restauration und Art-Handling im folgenden Text! 


Andreas Strohhammer bei der Arbeit in der Restaurierwerkstätte, Foto: maschekS

Andreas Strohhammer ist ein ausgebildeter Fachmann in der Restaurierung; der Kunstgeschichte, christliche Archäologie sowie Buch- und Bibliothekskunde studiert hat. Strohhammer übernahm 1994 die Leitung der Abteilung für Restaurierung, Konservierung und Ausstellungsproduktion in der neuen Galerie der Stadt Linz, die später in Lentos Kunstmuseum Linz umbenannt wurde. Er hält Vorlesungen an Universitäten, unter anderem an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Neben seiner Tätigkeit als Restaurator ist er auch als Kurator tätig.

Der Restaurator stellt ein unverzichtbares Rad im Getriebe eines jeden Museums dar und trägt zum reibungslosen Ablauf eines Ausstellungsprojektes wesentlich bei. Besonders die Auf- und Abbauphasen sind laut Strohhammer anspruchsvoll, da er als Leiter des Art Handlings an allen Ausstellungen beteiligt ist und viele Projekte gleichzeitig im Blick haben muss.

So wurde die Sonderausstellung Female Sensibility. Feministische Avantgarde aus der SAMMLUNG VERBUND im Jänner 2022 im Lentos Kunstmuseum Linz abgebaut und die Leihgaben wurden vor dem Abtransport auf ihren Zustand überprüft. Dies ist für die Versicherung von hoher Relevanz, da es Werke gibt, die im zweistelligen Millionenbereich versichert sind. Dennoch kann es trotz noch so akribischer Kontrolle passieren, dass Schäden an Werken auftreten. Obwohl es im Schadensfall meist möglich ist, Mängel zu beheben, die später nicht mehr sichtbar sind, kann der Wert – insbesondere bei wertvollen Arbeiten – drastisch sinken. Um die Risiken für Kunstwerke von vornherein gering zu halten, war Strohhammer als Kurier schon in vielen Kunst- und Kulturmetropolen in aller Welt, um sichergehen zu können, dass die Werke aus den eigenen Sammlungsbeständen gut an ihr Reiseziel gelangen.

Doch nun ein wenig mehr dazu: Für alle Leihgaben, die in ein Museum gebracht werden, werden sogenannte Zustandsprotokolle erstellt, die im Verlauf der Ausstellung viermal überprüft werden. Die erste Bestandsaufnahme findet statt, wenn ein Stück den/die Besitzer*in verlässt; die zweite, wenn das Kunstwerk im Museum ausgepackt wird; die dritte Protokollierung findet statt, wenn die Ausstellung abgebaut wird und zu guter Letzt nimmt der/die Eigentümer*in eine Überprüfung vor und protokolliert den Status Quo des Werkes. So kann im Falle einer Beschädigung genau festgestellt werden, wann und in welchem Verantwortungsbereich ein Schadensfall aufgetreten ist.

Wenn eine Leihanfrage an das Lentos Kunstmuseum Linz herangetragen wird, muss der Zustand des angefragten Werkes überprüft werden, um festzustellen, ob dieses für eine Ausleihe geeignet ist.

Um Beschädigungen von vornherein zu vermeiden, ist es wichtig, konservatorische Vorkehrungen zu treffen. Unter der sogenannten Konservierung versteht man den Erhalt von Werken, indem man für eine für das Objekt optimale Umgebung sorgt und sie so vor dem Verfall bewahrt. Dabei werden Schwankungen der Luftfeuchtigkeit und der Lufttemperatur sowie die Lichteinwirkung berücksichtigt. Klar muss jedoch sein, dass sich jedes Kunstwerk zu verändern beginnt, sobald der/die Künstler*in es fertiggestellt hat. Ein Ölgemälde muss zum Beispiel trocknen, wobei die oxidative Trocknung 50-60 Jahre dauern kann. Während dieser Zeitspanne dunkelt die Farbe nach oder bildet Falten. Zusätzlich ist sie hygroskopisch, was bedeutet, dass sie Feuchtigkeit aus der Luft aufnimmt. Als Folge kann sich die Farbe von der Leinwand lösen oder Risse bilden. Eine weitere Gefahrenquelle ist ein möglicher Schädlingsbefall, der die Kunstwerke beschädigen könnte.

Ein Blick in die Restaurierwerkstätte des Lentos, Foto: maschekS

Um mögliche Schäden zu beheben, kann man sich als Besitzer*in eines Kunstwerks an eine/n Restaurator*in wenden, wobei man sich immer fragen sollte, was man mit einer Restaurierung erreichen will, sagt Andreas Strohhammer. Dabei ist besonders wichtig, den jeweiligen Kontext zu berücksichtigen, in dem das beschädigte Werk nach der Restaurierung gezeigt wird. Wenn beispielsweise von einer christlichen Skulptur Finger abgebrochen sind, bewahrt das Museum sie auf und stellt sie im Anschluss separat aus. Ist die Skulptur für eine Kirche, entscheidet man sich wahrscheinlich dazu, die Finger wieder anzukleben, wenn diese zum Beispiel für den Segensgestus benötigt werden.

Ein weiterer Tätigkeitsbereich eines/r Restaurator*in besteht darin, die Geschichte eines Werkes zu erforschen. Die modernen, analytischen Ansätze gleichen fast schon einer kriminaltechnischen Untersuchung und können dabei helfen, Fälschungen zu erkennen sowie Werke ohne Datierung einer Epoche zuzuordnen. Man kann die Werke mittels Mikroskop, UV- und Infrarotwellen untersuchen, um eventuelle Retuschen und Vorskizzen, aber auch das verwendete Material zu erkennen. Aufgrund dieser Analysemethoden konnten von Andreas Strohhammer in Zusammenarbeit mit Elisabeth Nowak-Thaller zwei angebliche Werke des österreichischen Künstlers Hans Staudacher als Fälschungen identifiziert werden.

Auch das berühmte Gemälde Bildnis Trude Engel von Egon Schiele aus der Sammlung des Lentos wurde im Zuge der Ausstellung 1918 – Klimt, Moser, Schiele – Gesammelte Schönheiten von Andreas Strohhammer genauer unter die Lupe genommen. Früher kursierten viele Mythen und Behauptungen über dieses Werk, da es nur wenige wissenschaftliche Erkenntnisse über die Entstehung des Bildes gab. Während der Untersuchung stellte sich heraus, dass auf der Leinwand schon zuvor eine Komposition – möglicherweise ein Madonnenbild – gemalt wurde, die Schiele wieder verwarf. Dieses unter der obersten Farbschicht verborgene Bild glich anderen Skizzen des Künstlers, die genau datiert werden konnten und wohl im gleichen Zeitraum entstanden waren. Das führte zu dem Schluss, dass das Bildnis der Trude Engel älter sein musste, als in früheren Datierungen angenommen, da die Ölfarbe der Kompositionsskizze erst trocknen musste, um es übermalen zu können. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Gemälde kann man zurzeit in der Sammlungsausstellung im Lentos Kunstmuseum Linz nachvollziehen. Die einzelnen Analyseschritte wurden im Ausstellungsbereich visualisiert.

Das Bildnis Trude Engel in der Sammlung des Lentos, Foto: APA/Philipp Greindl

Bei zeitgenössischen Werken ist die Konservierung in vielen Fällen komplexer, da die verwendeten Materialien oft vergänglicher sind als zum Beispiel klassische Ölfarben. So werden von Künstler*innen manchmal Kunststoffe verwendet, welche aufgrund der enthaltenen Weichmacher zerfallen. Auf Probleme stößt man auch in der Videokunst, da gewisse Abspielgeräte, die dieses Werk bräuchte, gar nicht mehr oder nur mehr vereinzelt vorhanden sind. Die restauratorische Forschung versucht, neue Möglichkeiten und gute Lösungen für diese Probleme zu finden.

Abschließend lässt sich sagen, dass der Beruf des/der Restaurator*in sehr vielfältig ist und viele Tätigkeiten beinhaltet, die man im ersten Moment nicht mit einem/r Restaurator*in verbinden würde. Über die Protokollierung von Werkzuständen bis zu einer akribischen Analyse von vermeintlichen Fälschungen ist alles dabei.

Blickpunkt: Talk mit Elisabeth Nowak-Thaller

Provenienzforschung und Restitution im Lentos Kunstmuseum Linz
Im Gespräch mit Elisabeth Nowak-Thaller
Ein Text von Michaela Vater und Valentina Ritt

In der Zeit zwischen 1917 und 1918 wurde Gustav Klimt, der mit den jüdischen Familien Lederer und Munk eng befreundet war, beauftragt, ein Gemälde von Maria „Ria“ Munk anzufertigen. Diese hatte sich 1911, mit nur 24 Jahren, das Leben genommen, weshalb Klimt ihre Persönlichkeit in einem „Damenbildnis“ festhalten sollte.

Ankara Munk, Ria Munks Mutter, wurde als Jüdin am 19. Oktober 1941 von den Nationalsozialisten nach Łódź deportiert und ihr Vermögen am 19. Oktober 1942 zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen. Das Bildnis ihrer Tochter verschwand mit allen anderen Reichtümern ihrer Familie.

Im August 1956 wurde das Gemälde von der Stadt Linz zu einem Preis von 9.600,– ATS (Klimts Werke waren damals sehr günstig) vom Berliner Kunsthändler und gleichzeitigem Gründungsdirektor der Neuen Galerie der Stadt Linz Wolfgang Gurlitt erworben. Die Frage, die sich stellt, ist: Wie gelangte das von den Nationalsozialisten konfiszierte Gemälde in den Besitz Wolfgang Gurlitts –einem Kunsthändler mit fragwürdigen Kontakten in die Kreise des NS-Regimes?

Das Bildnis Ria Munk (1917/18) wurde durch das Lentos an die Erb*innen der Besitzerin restituiert. Foto: Wikipedia

 

Ein Teil der großen Spurensuche rund um Klimts Meisterwerk war Dr.in Elisabeth Nowak-Thaller. Die langjährige Mitarbeiterin des Lentos Kunstmuseum Linz war am 2. Dezember 2021 zu Gast in der Lehrveranstaltung Blickpunkt Sammlung und gab spannende Einblicke in ihre Arbeit im Museum und die Provenienzforschung im Haus.

Einblicke in den Museumsalltag einer Sammlungsleiterin

Die Sammlungsleiterin im Bereich Gemälde und Skulptur arbeitet seit 1986 im Museum, unter anderem als Kuratorin, Ausstellungsorganisatorin, Kunstvermittlerin und in der Provenienzforschung. Davor studierte sie Kunstgeschichte, Publizistik und Kommunikationswissenschaften an der Universität Salzburg. Anschließend begann sie ihren Dienstweg in der Neuen Galerie der Stadt Linz – der Vorgängerinstitution des Lentos – und blieb dem Haus bis heute treu.

Als damals einzige wissenschaftliche Mitarbeiterin hat sie den Umgang in allen Museumsbereichen kennengelernt und wurde mit Neugründung des Lentos 2003 zur Sammlungsleiterin über die ca. 1.700 Gemälde und Skulpturen. Ein wichtiger Arbeitsbereich der Klemens Brosch-Spezialistin besteht neben der Betreuung der Sammlung auch im Kuratieren von Ausstellungen – in ihrem Berufsleben hat die Linzerin schon über 100 Ausstellungen der modernen und zeitgenössischen Kunst realisiert.

Nowak-Thaller gab uns Einblicke in ihren facettenreichen Arbeitsalltag: Ein konstanter Bestandteil ihrer Aufgaben im Bereich der Sammlung ist die Korrespondenz mit Künstler*innen, die Beantwortung von Leih- und Forschungsanfragen, sowie das Übernehmen, Organisieren und Inventarisieren von Neuzugängen.

Kriterien, die berücksichtigt werden, damit ein Werk verliehen werden kann, sind unter anderem der restauratorische Zustand des Gemäldes, die kollegiale Zusammenarbeit der Museumshäuser, sowie die Funktion der Bilder als Visitenkarte für das Lentos. Natürlich treffen täglich Anfragen bezüglich der „Masterpieces“ im Lentos ein, dabei wird die Zu- oder Absage fallweise entschieden und nicht jede Leihanfrage kann positiv beantwortet werden.

Nicht nur die Abwicklung von Ausstellungen und Leihgaben sind Museumsarbeit, auch die Bewahrung des Bestandes für die Nachwelt sind in dieser enthalten. Für ihre kuratorische Tätigkeit kommt Elisabeth Nowak-Thaller die, über die Jahre hinweg erworbene Kenntnis der Sammlung gelegen. Gezielt kann sie passende Werke aus dem Bestand auswählen und in Ausstellungskonzepte einbringen.

Elisabeth Nowak-Thaller vor einem Porträt des Museumsgründers Wolfgang Gurlitt, (gemalt von Lovis Corinth, 1917), Foto: maschekS

 

Provenienzforschung und Restitution im Lentos Kunstmuseum Linz

Teil von Elisabeth Novak-Thallers Aufgabengebiet ist es auch, gemeinsam mit externen und internen Experten, die Provenienzforschung im Haus voranzutreiben, wie etwa auch zu dem „Damenbildnis“ von Gustav Klimt.

Vor dem Erlassen des neuen strengeren Kunstrückgabegesetzes des Staates Österreichs 1998 wurde bereits ein Auftrag zur Untersuchung der Sammlungsbestände des Lentos durch den Linzer Bürgermeister Dr. Franz Dobusch an das Archiv der Stadt Linz gestellt. Zur ersten Restitution kam es mit dem Gemälde „Die Näherin“ (1883) von Lesser Ury, das an die Erben nach Dr. Fritz Loewenthal im Jahr 1999 restituiert wurde.

Seit der Gründung der Neuen Galerie durch den u.a. in Bad Aussee lebenden Berliner Kunsthändler Wolfgang Gurlitt, stellte sich die Offenlegung der Provenienzen der Werke seiner Privatsammlung oft als problematisch dar. Sein Engagement als manischer Sammler, aber auch als Kunsthändler und Agent für Hitlers Sonderauftrag Linz sowie seine Gewohnheit, Werke der avantgardistischen Moderne, die der NS-Staat aus deutschen Museen als „entartet“ beschlagnahmen ließ, zu verkaufen, lässt Provenienzforscher*innen mit besonderem Interesse auf die von ihm gehandelten Werke blicken.

Eine der vielen Hürden für die lückenlose Provenienzforschung stellte das Fehlen eines standardisierten Verfahrens zur Klärung der Besitzansprüche und fehlende Quellen dar. Dies ergibt sich im Fall Gurlitt aus mehreren Faktoren: Zum einen wurden große Teile seines Archivs sowie die Geschäftsbuchhaltung seiner Galerie zerstört, zum anderen sind viele der Vorbesitzer*innen seiner Werke nicht bekannt, da die Korrespondenz seiner privaten Kunsthandlung statt sieben Jahre – wie im Gesetz erforderlich – nur kurz aufbewahrt wurde. Nach Auflösung der Gurlitt Galerie in München wurden ebenfalls viele Geschäftskorrespondenzen vernichtet.

Wenn ein Antrag auf Restitution an das Lentos gestellt wird, muss dieser sehr eingehend und genau geprüft werden, da es sich um teils hochkarätige und wertvolle Werke aus den Beständen handelt. Wichtig ist dabei, dass die Nachvollziehbarkeit des Restitutionsanspruches gewährleistet werden kann, was durch fehlende Dokumente oft schwierig ist. In besonders schwierigen und heiklen Fällen wird deshalb der Kunstrückgabebeirat des Bundes konsultiert. ausgelöst werden Recherchen oft durch Anfragen von Anwälten – aufgrund des ausgelasteten Museumspersonals bleibt leider wenig Zeit, um auf Eigeninitiative nachzuforschen, dennoch konnten die Provenienzen von rund 65 Gemälden überwiegend aus der Sammlung Gurlitt geklärt werden.

Der erste Sammlungsraum des Lentos zeigt ehemalige Sammlungswerke, die an ihre ursprünglichen Besitzer*innen restituiert wurden. Foto: maschekS

 

Elisabeth Nowak-Thaller beschrieb die Vorgehensweise, wenn eine Restitutionsanfrage an das Lentos herangetragen wird: Zuerst wirft die Sammlungsleitung einen Blick in das Inventarbuch, um im nächsten Schritt das Werk selbst zu betrachtet – Befinden sich auf der Rückseite des Werkes Verweise auf vergangene Besitzer*innen, Schriftzeichen oder Aufkleber?

Leider existieren museumsinterne Quellen kaum, daher wird für die Forschung das Archiv der Stadt Linz, in dem die Gründungsunterlagen der Neuen Galerie (Schriftverkehr, Aufzeichnungen, etc.) lagern, durchforstet. Sollten bis zu diesem Zeitpunkt noch keine schlüssigen Informationen aufgetaucht sein, führt kein Weg an weiterführenden Recherchen vorbei. Als externe Quellen versteht man dabei historische Werkverzeichnisse und Ausstellungskataloge, kunsthistorische Publikationen, u. Ä.

Solche neu gewonnenen Erkenntnisse und vorgelegten Beweise von Sophie Lillie führten am 4. Juni 2009 zur Restitution des „Damenbildnis“ an die Familie Munk bzw. deren Erbengemeinschaft. Der Linzer Gemeinderat stimmte der Restitution einstimmig zu. Ankara Munk war bereits verstorben, ihre Erben gaben das Gemälde nach erfolgter Restitution zum Verkauf in einem internationalen Auktionshaus frei.

Doch warum wurden Ansprüche auf Restitution von Kunstwerken nicht schon früher, unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg, gestellt? Laut Elisabeth Novak-Thaller ist dies vor allem der österreichischen Bürokratie zu verschulden, die nach 1945 eine Restitution von Kunstwerken aus Unrechtskontexten an die ehemaligen Besitzer*innen erschwerte. Viele Betroffene hielten sich zu dieser Zeit nicht mehr in Österreich auf und/oder wollten den immensen Aufwand nicht auf sich nehmen, eine Restitutionsanfrage zu stellen. Stattdessen wurde oft auch versucht, mit der traumatisierenden Vergangenheit abzuschließen. Auch war das öffentliche Interesse an Provenienzforschung und Rückgabe nach dem zweiten Weltkrieg sehr gering und die Werte der geraubten Kunstwerke u.a. von Schiele oder Klimt nach dem Krieg überaus niedrig. Daher wurden viele Anfragen, die zu Beginn der Nachkriegszeit gestellt wurden, aus heutiger Sicht unrechtmäßig abgelehnt.

Aktuell liegt den Forscher*innen des Lentos keine Provenienzanfrage vor. Alle als kritisch klassifizierten Herkunftsverhältnisse wurden bereits so weit wie möglich erforscht. Trotzdem gilt die Sammlung des Lentos nicht von jeglichem Restitutionsverdacht befreit: Sollten Unterlagen oder Beweise für einen Restitutionsbedarf gefunden werden, muss sich der Arbeitskreis für Provenienzforschung des Museums erneut beraten und mit seinen Nachforschungen beginnen.

Auf wissenschaftliche Durchbrüche kann man in der Provenienzforschung leider nur selten hoffen, denn die Restitutionsforschung stößt rasch an ihre Grenzen. Dies liegt an einer Vielzahl von Gründen: In vielen Museen gibt es keine Fixanstellungen, viele Provenienzforscher*innen arbeiten auf Werkvertragsbasis, entsprechende Ausbildungen müssen selbstständig, oft „learning by doing“ erworben werden.

Doch darf der zentralste Faktor aller Bemühungen um die Klärung einer Provenienz niemals in Vergessenheit geraten: Das Leid der enteigneten, deportierten und ermordeten Jüdinnen und Juden. Ihre Geschichten müssen erzählt und in den Mittelpunkt gerückt werden, denn oftmals kreist die öffentliche Debatte zu sehr um den monetären Wert der zu restituierenden Kunstwerke. Menschen wie Ankara Munk, deren Hab und Gut von den Nationalsozialisten gestohlen wurde, starben, ohne jemals Gerechtigkeit erfahren zu haben. Genau aus diesem Grund ist die Restitution an die rechtmäßigen Erben ein Mindestmaß an Wiedergutmachung, die die österreichische Gesellschaft heute leisten kann.

 

Im diesem Abschlussbericht finden sich vertiefende Informationen rund um die Provenienzforschung des Lentos Kunstmuseum Linz.

Blickpunkt: Talk mit Brigitte Reutner-Doneus

Der Blick hinter die Kulissen
Ein Gespräch mit Brigitte Reutner-Doneus vom Lentos Kunstmuseum Linz
Ein Text von Tabea Tremmel und Angelika Wonisch

Was geht in einem Museum fernab und unbemerkt von den Besucher*innen vor? Welche Abläufe gestalten den Museumsalltag? Wir, eine Gruppe von Studierenden der Kunstuniversität Linz, haben uns auf eine Spurensuche begeben, um einen Blick hinter die Kulissen des Lentos Kunstmuseum Linz zu werfen. Brigitte Reutner-Doneus, die Leiterin der Grafik- und Fotografiesammlung des Lentos, hat sich die Zeit für ein Gespräch mit uns genommen, um uns einen Einblick in den Alltag als Sammlungsleiterin und Kuratorin eines international agierenden Kunstmuseums zu geben.

Wie genau kommt es eigentlich zu der, allem vorrausgehenden, Aufteilung der Ausstellungsprojekte unter den Kurator*innen?

Bevor ein Konzept für eine Ausstellung entwickelt wird, muss jemand die Leitung und Verantwortung für ein Projekt übernehmen. Wie und nach welchen Kriterien dies geschieht, möchten wir an dieser Stelle genauer betrachten.
Das Programm des Lentos Kunstmuseum Linz wird von der Direktorin Hemma Schmutz in Absprache mit den Kurator*innen entwickelt. Mindestens einmal im Monat werden Meetings mit dem Team abgehalten, bei denen zukünftige Projekte vorgeschlagen und diskutiert werden. Im Anschluss wird die Zuständigkeit über ein Projekt an eine Person im Haus übertragen. Laut Brigitte Reutner-Doneus ist nicht vorrangig ausschlaggebend, dass ein Projekt in den eigenen Sammlungsbereich passt, sondern vielmehr, dass das Thema von großem Interesse für sie ist.

Von der Idee zur fertigen Ausstellung

Nachdem ein Projekt übernommen wird, entsteht das Ausstellungskonzept. Dabei ist es ganz wichtig, sich persönlich mit den Themen identifizieren zu können und sich dafür zu begeistern. Es ist eine Art Spurensuche, ähnlich der unseren. Wer war die Künstlerin oder der Künstler? Welche Haltung hatte er/sie zur Lebzeit? In welchem historischen Kontext kann diese Kunst eingeordnet werden? Mit welchem politischen Bewusstsein trat die Künstlerin oder der Künstler an das Werk heran? Wichtig ist es, sich alle Bücher über die Thematik zu besorgen. Es geht darum, alles darzustellen wie es war und alles zu zeigen, was man herausfinden konnte. Künstler*innen haben eine Vorbildrolle, einerseits geht es um die Kunstwerke, aber andererseits auch um die Person.

Basierend auf all diesen Überlegungen müssen Leihanfragen an andere Institutionen übermittelt, Transporte organisiert und Versicherungen abgeschlossen werden. Weiters werden Ausstellungskataloge entwickelt und nach Fertigstellung in den Druck gegeben. Auch Saaltexte und Texte zu den einzelnen Werken werden in deutscher und englischer Sprache verfasst.

Ausstellungsansicht Friedl Dicker-Brandeis, Foto: Reinhard Haider

Frau Reutner-Doneus erzählte uns, dass sie auch andere Ausstellungen, zu ähnlichen Themen wie das des Projekts, besichtigt, um sich anzusehen, wie andere Institutionen diese oftmals schwierigen Themen aufgreifen und umsetzen. Wenn die Vorarbeit abgeschlossen ist, kommt es zuerst zum Aufbau der Ausstellungsarchitektur und dann zur Hängung. Zuletzt wird die neue Ausstellung eröffnet. Frau Reutner-Doneus ist bei diesen Vorgängen die Verantwortliche und die Person, bei der alle Fäden zusammenlaufen.

Die Ausstellung zu Friedl Dicker-Brandeis

Die aktuelle Ausstellung ist ein wunderbares Beispiel für das Ergebnis dieser im Verborgenen liegenden Vorarbeit. Friedl Dicker-Brandeis war eine jüdische Künstlerin und Designerin aus Wien. Sie war außerdem Schülerin am Bauhaus. Ihre Arbeiten sind vielschichtig und umfassen Möbelentwürfe, Typografien, Fotocollagen, Textilkunst, Bucheinbände, etc. Die Künstlerin wurde 1944 in Auschwitz ermordet. Ihre Arbeiten werden von Jänner bis Mai 2022 im Lentos präsentiert.

Ausstellungsansicht Friedl Dicker-Brandeis, Foto: Reinhard Haider

Zu schade für die Lade

Bei dem Konzept Zu schade für die Lade, das von Brigitte Reutner-Doneus entwickelt wurde, handelt es sich um eine Präsentation von Grafiken, die in der Sammlung des Lentos drei bis viermal jährlich ausgetauscht werden. Diese Idee entstand zu einem großen Teil aus praktischen Gründen: Beim Lentos Kunstmuseum Linz handelt es sich um ein Oberlicht- Museum. Dies ist auch der Grund des erhöhten Lichteinfalls, der besonders geeignet für das Ausstellen von Gemälden ist, aber leider nicht vorteilhaft, wenn es um Grafiken geht. Dieser Umstand würde vielen Grafiken, ohne dieses Konzept, die Möglichkeit nehmen überhaupt gesehen zu werden, da die Sammlungspräsentationen länger zu sehen sind als regelmäßig wechselnde Themenausstellungen. Zudem muss berücksichtigt werden, dass diese Werke, damit sie durch das Licht nicht beschädigt werden, grundsätzlich nicht länger als vier Monate ausgestellt sein sollen. Es wurde hier also eine innovative Möglichkeit geschaffen, um den Besucher*innen einen größeren Einblick in die Museumsschätze zu geben.

Was tun mit Schenkungen?

Es kommt öfter vor, dass das Lentos Kunstmuseum Linz für eine Schenkung angefragt wird, oftmals handelt es sich hierbei um Nachlässe aus Privatbesitz. Dabei gilt es zu beachten, ob die räumlichen und personellen Ressourcen gegeben sind, diese Werke in die Sammlung aufzunehmen und ob sie zum Schwerpunkt des Museums passen. Aus Platz- oder Zeitgründen können manche Schenkungen nicht angenommen werden. Fachgerechte Aufbewahrung und eine wissenschaftliche Aufarbeitung bilden die Voraussetzung für die Annahme einer Schenkung. Wenn es dazu kommt, wird beispielsweise der Nachlass sortiert, systematisch erfasst und kommt in die Datenbank des Lentos.

Der Nachlass der Künstlerin Emmy Haesele

Ein Salzburger Galerist ist an das Lentos Kunstmuseum herangetreten, um eine Ausstellung über die österreichische Künstlerin Emmy Haesele zu machen. In weiterer Folge wurde ein Teil des Nachlass der Künstlerin dem Lentos als Schenkung angeboten. In diesem Fall wurde dieser auch angenommen.

Der Nachlass umfasst Grafiken, 6 Archivschachteln voller Briefe (diese beinhalten über 50 Jahre Briefwechsel zwischen dem Künstler Alfred Kubin, Archivar Kurt Otte und Emmy Haesele), Ausstellungsdokumentationen und Tagebücher.

Bei der Ausstellungskonzeption war es für Frau Reutner-Doneus wichtig, die Vielschichtigkeit und Ambivalenz der Künstlerin darzustellen. 2021 wurden ihre Arbeiten im Untergeschoss des Lentos ausgestellt.

Ausstellungsansicht „Die gezeichnete Welt der Emmy Haesele“, Foto: maschek

Tipps für jene, die gerne Teil des Museumsbetriebs werden möchten

Die beste Möglichkeit, Einblicke in die Arbeit eines Museums zu bekommen, ist ein Praktikum. Wie werden Objekte richtig beschriftet? Wie inventarisiert man ein Kunstwerk? Wie werden Vitrinen bestückt? Bei einem Praktikum im Lentos wird man in die Ausstellungsvorbereitung involviert und gleichzeitig eröffnet sich ein großes Lernfeld. Darüber hinaus ist es möglich, auch im Rahmen einer Masterarbeit oder Dissertation ans Lentos heranzutreten.

Durch das Gespräch mit Frau Reutner-Doneus konnten wir einen Blick auf die einzelnen Schritte werfen, die es braucht, um eine Ausstellung zu realisieren. Spannend fanden wir, dass sich das Lentos schon seit mehreren Jahren auch einen feministischen Schwerpunkt gesetzt hat.

Zur Person Brigitte Reutner-Doneus

Brigitte Reutner-Doneus ist die Leiterin der Grafik- und Fotografiesammlung des Lentos Kunstmuseum Linz und das bereits seit dem Jahr 2003. Sie absolvierte das Studium der Kunstgeschichte in Wien und Salzburg. Als Leiterin der Grafik- und Fotografiesammlung hat Frau Reutner-Doneus die Verantwortung für ca. 14.000 Grafiken. Damit sind im Lentos alle Werke auf Papier gemeint. Diese Werke sind geordnet und sicher in einem eigenen Grafikdepot verwahrt. In den letzten Jahren entstanden unterschiedliche Ausstellungen, die Frau Reutner- Doneus als Kuratorin ungesetzt hat.
Hier, eine kleine Auswahl an Projekten: Die gezeichnete Welt der Emmy Haesele (2021), Lassnig und Rainer. Das Frühwerk (2019), Auguste Kronheim. Begleiterscheinungen (2017/18) und Fräulein Newalds Gespür für die Stille (2014).

Blickpunkt: Konzept von Henrike Heller


SELBST. DAS ICH IM BILD.
Ein Ausstellungskonzept von Henrike Heller

Fragestellung und Thematik

Wir alle sind immer wieder im Laufe des Lebens mit der Frage nach dem Selbst, nach unserem Ich konfrontiert. Sei es beim täglichen Blick in den Spiegel, der Begegnung mit anderen Menschen, wichtigen Entscheidungen zur Lebensplanung oder inspiriert durch einen kulturellen/ philosophischen Impuls. Vielleicht ist die Frage nach dem Selbst eine der Fragen, die wir nie ganz beantworten können, die sich immer wieder neu stellt und bei der wir nur versuchen können, für uns ganz persönliche Antworten und Annäherungen zu finden. Da es bei der Auseinandersetzung mit der Frage nach dem ICH, auch immer um die Frage des Innen und Außen geht, spielt das Bild eine wichtige Rolle. Welches Bild haben andere Menschen von mir, wie wirke ich nach außen, wie möchte ich gesehen werden und wie sehe ich mich selbst? Wie zeige ich mich und weshalb zeige ich mich so? All diese Fragen haben auch Künstler*innen in den letzten Jahrhunderten beschäftigt. Durch die zunehmende Selbstdarstellung in den sozialen Medien, die neuen digitalen Möglichkeiten und die Verbreitung des Selfies erhält das Thema eine neue Dimension und Aktualität.

Ausgehend von diesem Thema soll nun ein Blick in die Sammlung des Lentos geworfen werden. Beim Durchstöbern der Lentos Kunstsammlung wird deutlich, dass die meisten Selbstbildnisse von männlichen Künstlern stammen, was jedoch bei einem Anteil von 14% weiblicher Künstler*innen in der Sammlung, nicht verwunderlich ist. Es lassen sich aber noch weitere Beobachtungen machen. Die Darstellungsformen in ihrem Ausdruck, ihrer Medialität unterscheiden sich. Aufgrund der bisher geringen Sichtbarkeit und Repräsentation von weiblichen Künstler*innen präsentiert die Ausstellung, ohne besondere Betonung dieses Schwerpunkts, auf die Selbstbildnisse von weiblichen Künstler*innen.

Inhaltliche Ausgestaltung

Begrüßt werden die Besucher*innen der Ausstellung „SELBST. DAS ICH IM BILD.“ durch ein Selbstbildnis von Clara Siewert, welches direkt gegenüber dem Eingang zu sehen ist. Die Künstlerin porträtiert sich in diesem Selbstbildnis erschrocken und dennoch grüßend gegenüber den Betrachter*innen. Der Titel der Ausstellung ist links von dem Kunstwerk in dunkellila auf der goldgelben Wand angebracht. Ein Beschreibungstext zur Ausstellung befindet sich in Sichtweite und leitet die Besucher*innen weiter in den Raum hinein. Dieser Text, sowie auch der Ausstellungstitel werden bewusst in Majuskeln verfasst und sollen eine Anspielung auf ausgestellte Künstler*innen sein, die sich bewusst für diese Schreibweise ihres Künstler*innennamens entschieden haben.

Ansicht beim Betreten des Raums

Im Gegensatz zu dem ersten Werk der Ausstellung steht die letzte Arbeit, eine Fotografie, die die Künstlerin Sophia Süßmilch nackt und breitbeinig in die Kamera blickend zeigt. Zwischen diesen Werken – dem Anfang des 20. Jahrhunderts entstandenen Porträt und der Fotografie von 2019 – soll eine historische Entwicklung der Themen, Ausdrucksformen und Medien des weiblichen Selbstbildnisses aufgezeigt werden. Ausgehend von Zeichnungen und Skizzen, der meist naturalistischen Abbildung des eigenen Porträts, über Werke von Maria Lassnig und Martha Jungwirth, die die eigene Wahrnehmung und ihr inneres Empfinden in ihren Werken ausdrückten. Dekonstruierende Arbeiten, die sich mit Identitätsfragen beschäftigen, mit Rollenbildern und Geschlechtszuschreibungen spielen, folgen. Die Kunstwerke werden provozierender und das Medium Fotografie sowie die Darstellungsform des Selfies erhalten eine bedeutendere Rolle.

Neben der historischen Entwicklung sollen die Künstler*innen Sichtbarkeit erhalten, sind doch weibliche Kunstschaffende immer noch meist unterrepräsentiert und unbekannt. Ihre Positionen sollen gezeigt und ein Bewusstsein für ihre Existenz innerhalb der Sammlung geschaffen werden. Daher befindet sich die Werkbeschriftung oberhalb der Arbeiten als gut lesbarer Wandtext. Hier finden die Besucher*innen die Namen der Künstler*innen, den Titel des Werks sowie dessen Datierung, womit die Namen präsent sind, die persönliche Einordnung des Werks durch die Künstler*innen vermittelt wird und eine zeitliche Einordnung möglich ist. Alle weiteren Werkinformationen sind bei Interesse in einem ausliegenden Saalheft aufgeführt. Dieses befindet sich in Bücherregalen, die mit Literatur zum Thema „Weibliches Selbstporträt“ und den ausgestellten Künstler*innen bestückt sind. Sitzgelegenheiten sollen dazu einladen sich in die Bücher zu vertiefen, eigenen Gedanken nachzugehen und den Raum auf sich wirken zu lassen.

Alle ausgestellten Kunstwerke befinden sich an Raummodulen mit einer Höhe von drei Metern, sodass die Besucher*innen mit immer neuen Blickachsen und einer großen Bewegungsfreiheit konfrontiert sind. Die drei- und viereckigen Module sind im Kontrast zur Wandfarbe des Raums, einem dunkellila, welches den Raum abdunkelt und eine mystische intime Atmosphäre schafft, goldgelb angestrichen. Lichtspots an den Modulen sorgen für eine akzentuierende Beleuchtung der Kunstwerke. An den Raumwänden befinden sich jeweils passend zum in der Nähe befindlichen Modul in goldgelber Schrift Stichworte und Begriffe, die eine Einordnung der Themenschwerpunkte geben und zum Nachdenken anregen sollen. Hier sind die folgenden Begriffe angedacht:

SELBSTABBILD
SELBSTBETRACHTUNG
SELBSTDARSTELLUNG
SELBSTBEFRAGUNG
SELBST
SELBSTVERGEWISSERUNG
SELBSTBESPIEGELUNG
ICH
MASKE
SELBSTPORTRÄT
SELFIE
SELBSTINSZENIERUNG
SELBSTBESTIMMUNG?!
SELBSTAUSSAGE
IDENTITÄT

Ausstellungsaufbau und Vermittlung

In der Mitte des Raums befindet sich ein 3×3 Meter großer begehbarer Kubus, der durch einen dunkellila Vorhang zu betreten ist. Beim Eintreten ist der Blick direkt auf das Kunstwerk von Marie Louise MontesizckySelbstporträt mit Birnen“ aus dem Jahr 1965 gerichtet, welches mit seiner Thematik der Spiegelung im Mittelpunkt der Ausstellung steht. Die Seitenwände im Inneren des Kubus sind verspiegelt, sodass die Betrachter*innen mit ihrem eigenen Spiegelbild konfrontiert werden und sich genau wie die Künstlerin auf dem Gemälde im Spiegel betrachten. Diese Spiegelwände sind von außen einsehbar, sodass vom Ausstellungsraum in den Kubus geblickt, von innen jedoch nicht nach außen geschaut werden kann. Damit können Personen bei ihrer Selbstbetrachtung beobachtet werden. Interessant ist dabei, wie diese sich im Bewusstsein der Sichtbarkeit nach außen darstellen und verhalten. Es entsteht somit derselbe Zustand wie beim Selbstbildnis, der Frage nach Selbstdarstellung, Auseinandersetzung mit sich selbst und dem Innen und Außen.

Als weiterer partizipativer Teil der Ausstellung kann nach dem Durchqueren des Raums das Kunstwerk FLICK_EU / FLICK_EU Mirror besucht und ausprobiert werden. Die Fotobox im zweiten Raum bietet die Möglichkeit, sich zu fotografieren und digitalisiert das entstandene Bild direkt. Das Porträt wird in einer digitalen Datenbank gespeichert und ist online auf der Website des Projekts ausgestellt. Die Arbeit stellt aktuelle Fragen nach der Sichtbarkeit von Bildern, der Selbstdarstellung im Digitalen Raum und dem Speichern von Daten. Sie wurde von Peter Weibel, Matthias Gommel, Bernd Lintermann, Joachim Tesch am ZKM Karlsruhe entwickelt.

Neben diesen direkt in der Ausstellung verorteten Formaten sind zudem Führungen, ein Audioguide und Vorträge angedacht, welche die einzelnen Künstler*innen und auch das Sujet des Selbstbildnisses näher beleuchten. Kreative Workshops zur Gestaltung eines eigenen Selbstbildnisses sind besonders für die jüngeren Besucher*innen ein spannendes Vermittlungsprogramm.

Ausstellungsansicht im Maßstab 1:200

 

Künstler*innen – und Werkliste:
(alle Werke sind hier inkl. Abbildung einsehbar)

Eckl, Vilma Selbstbildnis, Um 1947, (3)
EXPORT, VALIE Identitätstransfer I-III, 2000 (1968), (14)
EXPORT, VALIE
Aktionshose: Genitalpanik, 1969, (19)
EXPORT, VALIE Selbstporträt mit Stiege und Hochhaus, 1989, (16)
EVA & ADELE „Self-Timer Photography“ Paris, 1996, (17)
EVA & ADELE Futuring Company, 2003-2007, (18)
Jungwirth, Martha Selbstportrait mit Fred Schmeller, 1983, (12)
Kasper, Ottilie Selbstbildnis, Vor 1947, (4)
Knebl, Jakob Lena Chesterfield, 2014, (20)
Kollwitz, Käthe Selbstbildnis, 1920 (lt. Lit.), (6)
Kollwitz, Käthe Selbstbildnis im Profil nach rechts, 1938, (2)
Lassnig, Maria Der nicht emanzipierte Mensch (früher Selbstbildnis als Monster), 1967, (9)
Lassnig, Maria
Selbstporträt als Pfersenbick, 1970, (10)
Lassnig, Maria Selbstbildnis mit Telefon, 1973, (11)
Montesizcky, Marie Louise Selbstporträt mit Birnen, 1965, (13)
Palme, Margit Unähnliches Selbstbildnis, 1975, (7)
Palme, Margit Unähnliches Selbstbildnis, 1975, (8)
Rosenbach, Ulrike Stillleben mit Selbstporträt, 1981, (15)
Siewert, Clara Selbstporträt mit erhobener Hand, Undatiert, (1)
Siewert, Clara
Selbstbildnis, 1917, (5)
Süßmilch, Sophia I want you, 2019, (21)

Blickpunkt: Konzept von Christin Seirl

Verqueerter Blick
Queering the Gaze
Ein Ausstellungskonzept von Christin Seirl

Queeren Menschen und Denkweisen gilt stets noch zu wenig Aufmerksamkeit im musealen Ausstellungsbereich. Zwar wird versucht mit weiblich zentrierten Ausstellungen der patriarchalen Kunstwelt entgegenzutreten. Doch gibt es weiters auch koloniale, heteronormative wie klassizistische Strukturen im Kunstgeschehen, welche dadurch nicht angesprochen werden.

Demnach entschied ich mich dafür, einen queer-zentrierten Ausstellungsraum zu gestalten. Zu beachten ist hier, dass ich den Begriff ‚Queer‘ nicht nur auf Sexualität beziehe. Die Synonym-artige Verwendung von Queer sein und Sexualität wird tatsächlich immer kritischer betrachtet (vgl. Hufschmidt 2018: 30). Denn eigentlich bezeichnet ‚Queerness‘, oder eine queere Einstellung, die kritische Auseinandersetzung mit vorherrschenden Strukturen. Spezifisch gemeint ist damit das binäre Geschlechtermodell bzw. Heteronormativität[1] (vgl. Katz/Söll 2018: 2).

Im Vordergrund steht in meinem Raum daher die Auseinandersetzung mit dem Körper und seiner selbst. Dabei habe ich so weit wie möglich Abstand von stereotypischen Geschlechtsdarstellungen genommen. Und diese zugleich durch meine Präsentation hinterfragt.

Interessant für mein Konzept war außerdem die Frage nach der Möglichkeit einer queeren Ausstellung. Denn betrachtet man den Kunstsammlungsbestandes des Lentos Kunstmuseum Linz, ist die Prägung von weißen, männlichen, cis-hetero Künstlern immer noch deutlich zu spüren. Trotz vieler Bemühungen weiblicher Führung.

Letztlich stellte sich eine ‚queere‘ Raumgestaltung jedoch als möglich heraus.

Dabei konnte ich erkennen, dass speziell das wie sowie der Kontext, unter welchen ich die Werke ausstellen würde, essenziell ist. Durchaus lassen sich Werke von nicht queeren Personen unter einem queeren Kontext betrachten und kuratieren. Daher ist mein hypothetischer Ausstellungsraum weder ein Kuratieren queerer Positionen noch eine Essentialisierung der Queerness von Künstler*innen. Tatsächlich würde ich meine Konzeptidee als queeres Kuratieren bezeichnen.

Als Beispiel möchte ich hierfür einen von mir gestalteten Wand-teil heranziehen:
Zu sehen ist das Werk „Mädchen mit Orange (Kinderbildnis)“ von Koller Silvia. Schnell wird ersichtlich, dass ich Titel und Künstlerinnennamen groß neben das Werk anbringen, und den Titel folglich verändern möchte: „Koller Silvia, Mädchen Kind mit Orange (Kinderbildnis)“. Auf einem typischen Ausstellungsschild würden die vollen Daten und der richtige Titel natürlich neben oder unter dem Werk angebracht werden.

Das Durchstreichen des Begriffes ‚Mädchen‘ und der folglich stattfindende Austausch mit dem Begriff ‚Kind‘, ist eine klarer Gedankenanstoß. Hinweisen möchte ich dabei auf die strikte binäre Geschlechtereinteilung, welche schon vor der Geburt eines Kindes passiert, wenn sich nicht mit Sicherheit behaupten lässt, wie sich ein Kind und deren Geschlechtsidentität entwickeln wird. Diese Entscheidung wird zunächst von Ärzt*innen und Eltern übernommen. Wohl lässt sich dieser maßgebliche Entscheidungseingriff, in die sich entwickelnde Identität eines Kindes, kritisch hinterfragen.

Jenes würde ich textlich neben dem Werk anbringen.

Zusätzlich möchte ich noch ein paar wenige queere Künstler*innen/Werke nennen, die im Lentos Linz Kunstmuseum selbst vertreten sind. Und deren Herangehensweise ich auch als ‚Queer‘ bezeichnen würde. Auf diese wurde ich in der gemeinsamen Diskussion im Anschluss an meine Präsentation mit der Lehrveranstaltungsgruppe aufmerksam gemacht :

Das Künstler*innenpaar EVA&ADELE, deren Werke gegen Gender- und Sexualitätsnormen stehen

Die genderqueere Künstlerpersönlichkeit Jakob Lena Knebel

Das Projekt „Wildness“ (Entstanden in Zusammenarbeit mit Trans-Personen) von Nilbar Güreş

Keith Haring, Künstler und Aktivist im Bereich der LGBTIAQ+ Community

 

[1] Im Prinzip lässt sich Queerness (bzw. die Queer-Studies) mit den Post-kolonial-Studies vergleichen. Welche sich in deren Forschung mit kolonialen wie rassistischen Strukturen befassen.

 

Quellenverzeichnis

Katz, Jonathan/Söll, Änne (2018): Editorial: Queer Exhibitions/Queer Curating, in: Katz, Jonathan/Hufschmidt, Isabel/Söll, Änne (Hrsg.), Queer Curating, [online] https://www.on-curating.org/files/oc/dateiverwaltung/issue-38/PDF_To_Download/oncurating_37_queer_WEB.pdf [zuletzt abgerufen am 01.02.2022]

Hufschmidt, Isabel (2018): The Queer Institutional, Or How to Inspire Queer Curating, in: Katz, Jonathan/Hufschmidt, Isabel/Söll, Änne (Hrsg.), Queer Curating, [online] https://www.on-curating.org/files/oc/dateiverwaltung/issue-38/PDF_To_Download/oncurating_37_queer_WEB.pdf [zuletzt abgerufen am 01.02.2022]

 

Künstler*innen – und Werkliste:
(alle Werke sind hier inkl. Abbildung einsehbar)

Koller Silvia – Mädchen Kind mit Orange (Kinderbildnis),1925
Moser Kolo, Venus in der Grotte III, 1916
Siewert Clara, „Venus“ (Weiblicher Akt), o. D.
Kampl Gudrun, „Die hölzerne Venus II“, aus der Serie: „Gefühlsgarderobe“, 1998
Fischnaller Josef, Liegende Figur, 1961
Kasper Ottilie, Selbstbildnis, vor 1947
Vilma Eckl, Selbstbildnis, 1947
Kollwitz Käthe, Selbstbildnis, 1920
Fröhlich Fritz, Selbstbildnis, 1947
Siewert Clara, Selbstbildnis, 1917
Maria Lassnig, Der nicht emanzipierte Mensch (früher Selbstbildnis als Monster), 1967
Maria Lassnig, Selbstbildnis mit Telefon, 1973
Jungwirth Martha, Selbstportrait mit Fred Schmeller,1983
Kolig Anton, Liegender männlicher Akt, 1942
Schüssler Karl, Selbstbildnis,1970
Margit Palme, Liberty muss Maske tragen, 1986
Mack Karin, „Wir“, 1975
Koller Silvia, Clown, o. D.
Liemberger Rudolf (Max), Menschliche Figur, 43 x 30,6 cm, o. D
Liemberger Rudolf (Max), Menschliche Figur, 42,9 x 30,6 cm, o.D
Praetterhofer Hans, Figur auf allen Vieren: große Demutsfigur, 1976
Passini Rita, Figuren, 1931
EXPORT VALIE, Syntagma, 1983
EXPORT VALIE, „EROS/ION“, 1971 (1996)
Messensee Jürgen, Akt, 1981
Fleischmann Trude, Claire Bauroff, Aktstudie II, aus dem Portfolio: Fotografien 1918 – 1938Liebermann Max, Simson und Delila, 1902

Blickpunkt: Konzept von Tabea Tremmel

Perspektive als Frage des Blickwinkels
Ein Ausstellungskonzept von Tabea Tremmel

Wie wohl die meisten Projekte begann auch dieses mit einer Idee und vielen Fragen. Der zu Grunde liegende Gedanke für mein Ausstellungskonzept war es, die typische Museumserfahrung aufzubrechen. Aber wie könnte man das erreichen? Die Besucher*innen sollen losgelöst von der betrachtenden Position ein aktiver Teil des Raumes werden. Deshalb habe ich interaktive Stationen für den Raum ausgearbeitet. Die Museumsbesucher*innen sind dazu aufgefordert, eigene Zusammenhänge und Schlüsse zu ziehen. Es soll keine „richtige“ Wahrnehmung oder Interpretation des Raumes geben. Besucher*innen sollen dazu angeregt werden, die vielschichtigen Bedeutungsebenen des Raumes selbst zu erkunden. Die Schlüsselbegriffe des Konzeptes, die mir dabei halfen mich bei der Werkauswahl zu orientieren, sind Reflexion, Perspektive und Blickwinkel. Sie alle, sind im wahrsten Sinne, aber auch sprichwörtlich in meinem Raumkonzept zu entdecken.

„Eine Schatzsuche in der Sammlungsdatenbank des Lentos“

Nachdem ich grob definiert hatte, welche Werke für mein Vorhaben stimmig sind, begann ich die Sammlung des Lentos Kunstmuseum Linz, die online einsehbar ist, zu durchstöbern. Im Hinterkopf immer mit dabei die drei bereits genannten Begriffe: Perspektive, Blickwinkel und Reflexion. Es blieben am Ende 38 Werke übrig. Der nächste Schritt war es, die interaktiven Stationen auszuarbeiten, die wir bei einem virtuellen Rundgang noch einmal genauer betrachten werden.

„Ausstellungsarchitektur und Hängung“

Danach folgte die Wahl eines Raumes und diesen (theoretisch), zu gestallten. Der für mein Konzept ausgesuchte Raum ist 16 Meter lang und acht Meter breit. Es ist angedacht, eine Wand mit sechs Metern Länge einzuziehen. Es bleibt ein vier Meter langer Durchgang, um von der einen Raumhälfte in die andere zu gelangen. Alle Wände sollen weiß sein. Des Weiteren soll ein Boden aus OSB Platten (Grobspanplatten) gelegt werden. Nicht gerahmte Werke sollen Rahmen aus Birkenholz bekommen. Alle Werke würden so gehängt werden, dass ihre Mitte auf eine Blickhöhe von 1,40 m liegt. Dies soll möglichst vielen Menschen die Möglichkeit geben, mit den Werken zu interagieren. Zusätzlich zu kleinen und dezenten Infotafeln neben den Werken wird es ein Raumheft geben, in dem mehr Informationen zu Werken und Künstler*innen zu finden sind. Hier wären auch die interaktiven Stationen erklärt. Bezüglich Beleuchtung sind in der Abbildung, die zusätzlich zum Tageslicht, anzubringenden Spots zu sehen. Sie haben den Zweck, die Besucher*innen dem ebenfalls eingezeichneten Weg nach, zu leiten. Die „Leserichtung“ des Raumes ist auf der Abbildung von rechts nach links.

„Traum“  

Rohrberg Jürgen, Raumwellen, 1964

Der/Die Museumsbesucher*in ist dazu eingeladen, in den Raum einzutauchen, wie in einen Traum. Durch das Betrachten scheint es, als ob das Werk sich wellenartig bewegen würde.

„Bauten“

Werke von links nach rechts: Haesele Emmy, Die Brücke, 1964 Watzl Anton, Häuser, 1953 Zamp Kepl Günter, Giant Gamut, Tonleiter, Big Piano, 1972 Wegerbauer Johannes, Ohne Titel, 1992 Kolar Jiri, Das ausruhende Nationaltheater, 1960 Loidl Katharina Anna, Stahlstadtvisionen, Der Marktplatz in Linz, ,2017-18/1871

Man begibt sich zu den Bauten, die wie aus einem Traum entsprungen sind. Von der Brücke über die Tonleiter bis hin zu dem Ort, an dem Zukunft und Vergangenheit zur selben Zeit stattfinden. Das im Boden liegende Werk und das Werk Tonleiter geben den Besucher*innen zwei Wege. Man ist zwischen den beiden Werken und somit das Verbindungsstück.

„Der Mensch in der Stadt“

Werke von links nach rechts: VALIE EXPORT, Selbstporträt mit Stiege und Hochhaus, 1989 Klimt Gustav, Frauenkopf, 1917 Bayer Herbert, Lonely Metropolitan, 1932

Aus den Bauten entsteht eine bewohnte Stadt. Es geht langsam hin zum Menschen. Das Werk von Gustav Klimt wird in einer gläsernen Vitrine platziert. Hier sind die Besucher*innen dazu eingeladen, auf dem Glas zu zeichnen. Sie haben somit die Möglichkeit, das Werk mitzugestalten.

„Der Blick“

Werke von links nach rechts: Brehm Dietmar, Blicklust, eine Beschattung-das Geheimnis der Lagune, 1982 Siewert Clara, Selbstporträt mit erhobener Hand Rustin Daniela, Erinnerter Harlekin, 1951

Hier ist die Unterschiedlichkeit des Blicks thematisiert. Das mittlere Werk von Clara Siewert bildet die nächste interaktive Station. Auch hier kommt eine Vitrine aus Glas zum Einsatz. Darauf soll der Umriss einer Hand zu sehen sein, dort, wo die gehobene Hand im Porträt ist. Die Besucher*innen sind dazu eingeladen, ihre Hand auf diese Position zu legen und Auge in Auge zu verweilen. Der/Die Betrachter*in wird zum/r Betrachteten.

„Was wird gesehen?“

Werke von rechts nach links: Jurina Isolde, Hingekauerte, 1960 Huber Timo, Auf dem Verhandlungstisch, 1971/2018 Bechtold Gottfried, Fingernägelschneiden, 1973/2007 Export Valie, Syntagma, 1983 Bayer Herbert, Aspen trees, in search of times past, 1959 Kolar Jiri, Ville Jalouse, 1970 Korab Karl, Peripherie, 1964 Trautner Elfriede, Feministinnen, 1977 Heerich Erwin, Mappe, Doppelungen Andric Branko, Transvulvium, 1979 Hrdlicka Alfred, Der Spiegel-Striptease-in-Soho, 1968 Kubin Alfred, Der Einschleicher, 1925 Miyamoto Kazuko, Two dogs running pattern, 1979 (im Boden)

Die längste Wand des Raumes bietet unterschiedliche Möglichkeiten der Kontextualisierung. Sie zeigt verschiedene Arten des Darstellens. Die Zusammenstellung der Werke lädt dazu ein, mögliche Verbindungen und Verknüpfungen zu entdecken und zu schaffen. Im Durchgang von der einen Raumhälfte in die andere soll das Werk von Miyamoto Kazuko das Hinübergehen signalisieren.

„Nacktheit“

Werke von rechts nach links: Neshat Shirin, Stripped, 1996 Strobel Ingeborg, To be or not to be, 1996 Makart Hans, Frauenakt, 1866-67

Auch an dieser Wand gibt es wieder eine interaktive Station. Vor dem Frauenakt von Hans Makart soll ein Vorhang so montiert sein, dass der Frauenkopf noch zu sehen ist, auch wenn der Vorhang geschlossen ist. Die Besucher*innen sind dazu angehalten, eine Handlung zu setzen und müssen aktiv entscheiden, wieviel sie vom nackten Körper der Frau sehen wollen.

„Reflexion – Der Blick in den Spiegel“

Werke von links nach rechts: Bayer Herbert, Selfportrait, 1932 Hohenbüchler Irene & Christine; Jerzy Caryk; Krzysztof Zukowski, aus der Serie „Talking with ourselves“, 1991 Spiegel Aigner Fritz, Blich in den Spiegel (zwei ovale Bilder), 1964 Eisenberger Christian, Ohne Titel, 2020 Ebenhofer Walter, Esplandil, 1985

Der Blick in den Spiegel und auf das Selbst hat viele Facetten. Die Besucher*innen sind dazu eingeladen, sich selbst zu sehen und für einen kurzen Moment Teil des Raumes zu werden. Der Inhalt der Werke löst sich langsam wieder los vom Menschen. Das Thema wird mit dem Whiteboard abgeschlossen. Wer möchte, kann es nutzen, um die eigenen Gedanken an dieser Stelle zu formulieren oder zu visualisieren.

„Der Tonangebende Titel“

Werke von links nach rechts: Bornefeld Julia, Spinne, 2003 Tschirtner Oswald, Ein schöner Schmetterling, 1971 Haas Rudolf, Hommage a Andre – Märzschnee, 1983 Zrdahal Ernst, Schuhsohlen, 1973

Ob hier Titel und Werke zusammenstimmen, ist eine Frage der eigenen Wahrnehmung und des eigenen Blickwinkels. Vor dem Ausgang ist das letzte Werk, wieder im Boden liegend. Es soll ein bewusstes Verlassen des Raumes andeuten.

 

Künstler*innen – und Werkliste:
(alle Werke sind hier inkl. Abbildung einsehbar)

Aigner Fritz, Blick in den Spiegel, 1964
Andric Branko, Transvulvium, 1979
Bayer Herbert, Aspen trees, in search of times past, 1959 / Lonely Metropolitan, 1932 / Selfportrait, 1932
Bechtold Gottfried, Fingernägelschneiden, 1973
Bornefeld Julia, Spinne, 2003
Brehm Dietmar, Blicklust, Eine Beschattung- das Geheimnis der Lagune,
Ebenhofer Walter, Esplandil, 1985
Eisenberger Christian, ohne Titel, 2020
Export Valie, Selbstporträt mit Stiege und Hochhaus, 1989 / Syntagma, 1983
Haas Rudolf, Hommage a Andre- Märzschnee, 1983
Haesele Emmy, Die Brücke, 1970
Heerich Erwin, aus der Mappe „Doppelungen“
Hohenbüchler Irene und Christine & Jerzy Caryk und Krzysztof Zukowski, aus der Serie „Talking with ourselfs“, 1991
Hrdlicka Alfred, Der Spiegel-Stripteas in Soho, 1968
Huber Timo, Auf dem Verhandlungstisch, 2018
Jurina Isolde, Hingekauerte, 1960
Klimt Gustav, Frauenkopf, 1917
Kolar Jiri, Das ausruhende Nationaltheater, 1960 / Ville Jalouse, 1970
Korab Karl, Peripherie, 1964
Kubin Alfred, Der Einschleicher, 1925
Loidl Kathaina Anna, Stahlstadtvisionen, 1871,2017
Makart Hans, Frauenakt, 1866
Miyamoto Kazuko, Two dogs running pattern, 1979
Neshat Shirin, Stripped, 1996
Rohrberg Jürgen, Raumwellen, 1964
Rustin Daniela, Erinnerter Harlekin, 1951
Siewert Clara, Selbstporträt mit erhobener Hand, 1895
Strobel Ingeborg, To be or not to be, 1996
Trautner Elfriede, Feministinnen, 1977
Tschirtner Oswald, Ein schöner Schmetterling, 1971
Watzl Anton, Häuser, 1953
Wegerbauer Johannes, ohne Titel, 1992
Zamp Kepl Günter, Giant Gamut, Tonleiter, Big Piano, 1972
Zrdahal Ernst, Schuhsolen, 1973

Blickpunkt: Talk mit Gabriele Schor

Avantgardistische Feministinnen. Ein Gespräch mit Gabriele Schor.

Die Gründungsdirektorin Gabriele Schor, der nun 17 Jahre alten Sammlung Verbund stellte sich am 21.10.2021 den Studierenden der Kunstuniversität Linz online via Zoom als Gesprächspartnerin zur Verfügung. Anlass war die im Lentos Kunstmuseum Linz gezeigte Ausstellung „Female Sensibility. Feministische Avantgarde aus der Sammlung Verbund“. Dabei gab sie Einblicke in die Konzeption der Sammlung und ihre Pionierarbeit in der österreichischen Kunst- und Kulturlandschaft.[1]

Ein Beitrag von Melanie Jussel und Christin Seirl

Im Jahr 2004 trat einer der größten europäischen Energieerzeuger, die österreichische Verbund AG, an Gabriele Schor heran und eröffnete ihr die Möglichkeit, eine Firmenkunstsammlung aufzubauen. Ihr Ziel war es, ein klares Alleinstellungsmerkmal für die Sammlung zu finden. Nach reiflichen Überlegungen und einem disziplinierten Ausschließungsverfahren, entschied sie sich Kunst der 1970er-Jahre bis heute zu erwerben. Daraus entwickelten sich die Schwerpunkte Feministischen Avantgarde sowie die Wahrnehmung von Orten und Räumen. Die mittlerweile großzügig ausfallende Verbund-Sammlung profitiert noch heute maßgeblich von der großen Expertise der Gabriele Schor.

Die international aufgestellte Kunstsammlung des Verbund mit ihrem Schwerpunkt Feministische Avantgarde der 1970er-Jahre besteht aus Zeichungen, Holzschnitten, Druckgraphiken, zahlreichen Fotografien, Videobeiträgen und Performance-Dokumenten, wie beispielsweise von Margot Pilz oder Birgit Jürgenssen, welche die feministischen Anliegen der Künstlerinnen in den Mittelpunkt stellen. Die Künstlerinnen der damaligen Zeit entschieden sich mehrheitlich für neue, aktuelle Medien und machten sich diese gekonnt zu nutzen. Ein Faktum dabei war die stark männlich dominierte Malerei, welcher es entgegenzuwirken galt.

Beachtung sollte an dieser Stelle auch dem Titel eines Schwerpunktes entgegen gebracht werden denn das Wort Avantgarde ist geschichtlich gesehen stark männlich konnotiert. Deshalb hat Gabriele Schor den Begriff Feministische Avantgarde bewusst gewählt und er soll auch ein Zeichen für einen Richtungswechsel darstellen. Besagter Umstand ergibt sich ebenfalls aus dem vorzufindenden Genderverhältnis von 117 weiblichen zu 40 männlichen Kunstschaffenden, die in der Sammlung Verbund Vertretung finden.

Ausstellungsansicht „Female Sensibility“ (Foto © Sandro E. E. Zanzinger)

„Tiefe statt Breite“. Ein starker Leitsatz, dem die Sammlungsleiterin und Kuratorin Gabriele Schor in Bezug auf die Sammlung Verbund noch heute treu bleibt. Jener stellt zugleich spürbar sicher, dass die Kunstsammlung ihren Qualitätsstandard, sowie ihre Relevanz innerhalb der internationalen Kunst- und Museumsszene aufrechterhält. Zugleich werden notwendige Anregungen für eine vorzunehmende Revision der bisher im Kunstbetrieb vorherrschenden hegemonialen Standards gesetzt. Gabriele Schors kunstwissenschaftliche Recherchen führten sie oftmals auf unbetretene Wege: So stammen die Werke der Sammlung oft von heute fast vergessenen Kunstschaffenden, deren Erzeugnisse über privat eingeholte Informationen, oder aus alten Katalogen wiederentdeckt – und die Künstlerinnen daraufhin kontaktiert werden konnten. Viele Ankäufe erwiesen sich als wahre Glücksfunde für die Sammlung Verbund, wie Schor bekannt gab, und mit großer Freude werden von ihr noch heute ganze Werkgruppen angekauft.

In Kooperation mit Kunstmuseen wird die Feministische Avantgarde der 1970er-Jahre der Sammlung Verbund international ausgestellt. Dabei fällt die Gestaltung der Ausstellung, sowie die Auswahl der einzelnen Kunstwerke und Werkgruppen, den Bedürfnissen der öffentlichen Museen entsprechend, jeweils anders aus. Auch war Gabriele Schor federführend in der Konzeption und Gestaltung der „Vertikalen Gallerie“, welche im Hauptquartier der Verbund AG in Wien vorzufinden ist. Jene dient ebenfalls gerne als geeigneter Ausstellungsort für feministische Kunst. Dabei soll die Ausstellung in der Firmenzentrale neben zahlreichen Besucher*innen, vor allem die Angestellten der Verbund AG dazu anregen, einen wichtigen Diskurs über die Kunst und deren Wirkung miteinander zu führen.

Ausstellungsansicht "Female Sensibility (Foto: Sandro E. E. Zanzinger)
Ausstellungsansicht „Female Sensibility“ (Foto © Sandro E. E. Zanzinger)

Geschlechtergeprägte Sammlungen
Die systemische Unterordnung von Frauen in den Künsten ist immer noch prävalent. So bleibt nicht nur der Status des „Künstlergenies“ weiterhin ausschließlich weißen Künstlern vorbehalten. Auch zeigt sich dieses Ungleichgewicht anhand der Marktwerte der Werke selbst, welche im direkten Vergleich, zugunsten des männlichen Geschlechts meist weit höhere Preise erzielen.

Gabriele Schor erläuterte im Gespräch, dass die Werke der nicht männlichen Kunstschaffenden oft günstig zu erwerben gewesen seien und deutlich zeigt, dass unter anderem weiblicher Kunst immer noch weniger Wert beigemessen wird. Zwar steigt laut Gabriele Schor der Marktwert zurzeit etwas an, von Gleichheit kann keineswegs die Rede sein.

Wie Gabriele Schor im Interview berichtete, hat der 3-mal kleinere Anteil an männlicher Kunst in der Sammlung einen höheren finanziellen Wert als die Kunstwerke der weiblichen Künstlerinnen.

Im Falle vieler Museen, deren Sammlungen meist über Jahrzehnte historisch gewachsen sind und männliche Positionen in den Beständen überwiegen, eröffnet sich ein weiteres Problem: Männlich geprägte Sammlungen lassen sich in ihrem Geschlechteranteil, auch unter Druck des Kunstmarktes, nur schwierig ausgleichen. Um ein Beispiel zu nennen: Der Frauenanteil im Lentos Kunstmuseum Linz beträgt, trotz Bemühungen weiblicher Führung seit 2004(!), derzeit ca. 14%, wie uns die Museumsdirektorin Hemma Schmutz berichtete.

Die Kunstsammlung des Verbund ist diesbezüglich jedoch eine recht außergewöhnliche. Mit dem Schwerpunkt Feministische Avantgarde der 1970er-Jahre möchte Gabriele Schor versteckten künstlerischen Positionen eine Stimme bieten. Dies betrifft allen voran die Werke von Künstlerinnen. Und im Anbetracht aktueller Sammlungsbestände soll gesagt sein, dass diese Sammlungsstrategie radikal anders, ja, sogar ein feministisches Statement, ist. Gesellschaftspolitisch gesehen wäre es im Jahr 2022 wünschenswert, eine weiblich geprägte Kunstsammlung, wie es die Sammlung Verbund darstellt, nicht mehr als ein ‚feministisches Statement‘ bezeichnen zu müssen, sondern als eine Selbstverständlichkeit.

Ausstellungsansicht „Female Sensibility“ (Foto © Sandro E. E. Zanzinger)

Nicht-männlich sein ist dem Museum fremd. Zur Repräsentation von trans Personen und BPoC Frauen im aktuellen Ausstellungsgeschehen.
Die Sammlung Verbund, bzw. die daraus entstandene Ausstellung „Female Sensibility“ ist erst ein Anfang auf dem Weg zu einer antidiskriminierenden Ausstellungspraxis, die auch BPoC Frauen und trans Personen ihren Platz im Kunstgeschehen einräumt. So gibt Gabriele Schor in ihrer Ausstellung unter anderem 17 österreichischen Künstlerinnen aus gesamt 82 Positionen deren wohl verdiente Aufmerksamkeit, dabei umfasst jenes neben sechs Women of Color[2] primär weiße Künstlerinnen. Was ist mit dem dazwischen und dem außerhalb? Theorien des intersektionalen Feminismus betonen, dass (in der Kunst) nicht nur die weiße Frau marginalisiert wird. Und wenn bereits Kunst weißer Künstlerinnen kaum rentabel ist; wie verhält sich die Situation mit andersfarbigen und/oder Trans und/oder Intersex Künstler*innen? Intersektionalität, d.h. die Betrachtung verschiedener Formen und Überlappungen der Diskriminierung gegenüber einer Person, findet bis dato nur wenig Anklang in Museen und Ausstellungen.

Dies wurde auch im Gespräch mit Gabriele Schor von Seiten der Studierenden thematisiert. Konkret lautete die Frage, wieso in der Ausstellung “Female Sensibility“ keine trans Frauen vertreten sind und auch nur wenige BPoC Frauen Teil der Ausstellung sind. Wenn man im Sinne einer feministischen Ausstellung konkret auf die Kunst der 1970er-Jahre blickt, erscheint es uns als sehr wichtig, auch das zerrüttete Verhältnis zwischen weißen und nicht weißen Frauen zu thematisieren, das zur Zeit der 1. und 2. feministischen Welle einen kritischen Punkt in der Historie der Frauenbewegungen darstellt, aufgrund der fortführenden Missachtung und Ausgrenzung[3] von trans und BPoC[4] Frauen.

Bezüglich der Intersektionalität wirft Gabriele Schor auf, dass jene BPoC leider oft auch kein Teil eines westlich geprägten, feministischen Sammlungskonzeptes sein möchten. Doch ist dies nicht ein Zeichen für die Notwendigkeit, das Verhältnis zwischen weißen und andersfarbigen Feminist*innen zu thematisieren? Als eine Schwierigkeit hinsichtlich der Kunst von transgender Menschen erklärt Frau Schor das Fehlen dieser Personengruppe innerhalb der Kunst in der Zeit der 1970er-Jahren, wobei es sich wohl auch hier um ein Problem des ‚noch nicht Entdeckens‘ handelt.[5] Viele bereits verstorbene oder ältere transgender Künstler*innen werden heutzutage erst aufgearbeitet, wenn sie überhaupt entdeckt werden.

Definitiv ist für Gabriele Schor und die Sammlung Verbund das Thema Intersektionalität ein wichtiger Aspekt. Auch bekräftigte die Kuratorin, dass Sie in künftigen Ausstellungen stärker auf das zerrüttete Verhältnis zwischen schwarzen und weißen Feminist*innen hinweisen möchte, um so auch darüber aufzuklären, weshalb (unter anderem) in der Feminismus-zentrierten Ausstellung (noch!) wenige trans und BPoC Positionen anzufinden sind.

Der wichtige Schritt in Richtung Diversität, welchen Frau Schor mit ihrer Ausstellung „Feministische Avantgarde“ macht, darf nicht missachtet werden. Die österreichische Kunstszene beginnt nun erst nach und nach sich von ihren patriarchalen, wie hegemonialen Strukturen zu lösen. Auch bleibt offen, wie viel Wert österreichische Kulturinstitutionen dem Thema Intersektionalität beimessen, denn es mangelt nach wie vor an tatsächlicher Repräsentation, und der ordentlichen Auseinandersetzung damit. Doch vielleicht können künftige Sammlungen, wie die der Sammlung Verbund unter der Leitung von Direktorin Gabriele Schor jenem entgegenwirken.

Gabriele Schor, Gründungsdirektorin der Sammlung Verbund (Foto © Katharina Gossow)

 

Fußnoten

[1] Gabriele Schor, geboren am 17. April 1961 in Wien, absolvierte das Studium der Philosophie. Nach ihrer Promotion arbeitete sie als Kuratorin sowie als Kunstkritikerin.

[2] Emma Amos, Elizabeth Catlett, Dindga McCannon, Lorraine O’Grady, Senga Negudi, Howardena Pindell.

[3] Missachtet und diskriminiert (innerhalb des Feminismus) werden nicht-weiße Personen und Frauen übrigens schon seit Anbeginn des Frauenrechtsaktivismus im 19. Jhdt. Für mehr Informationen hierzu lohnt es sich den „Suffragetten-Rassismus“ zu googeln.

[4] BPoC (Black and People of Color) oder BIPoC (Black, Indigenous, and People of Color) soll einen Sammelbegriff für Menschen mit Rassismuserfahrungen darstellen. Er deckt lange nicht jede Person und Ethnizität ab, welche von Rassismus betroffen ist. Auch ist es mit dem Begriff nicht möglich auf individuelle Rassismus Problematiken einzugehen. Doch stellt es einen anfänglichen Versuch dar, auf die Vielzahl an verschiedenen Rassismen hinzuweisen.

[5] Auch die im Kunstdiskurs bereits besser bekannten genderqueeren und trans-Künstler*innen wie Gluck, Vaginal Davis, Greer Lankton, Mark Cagaanan Aguhar, Katherine Vandam Bornstein, Lorenza Böttner, Jamie Nares wurden anfänglich nicht im vollen Ausmaß in ihrem Wirken anerkannt. Zwar sind nicht alle der genannten Künstler*innen repräsentativ für die Kunst der 1970er-Jahre und dem Sammlungsschwerpunkt des Verbund, dennoch kann ihr Schaffen exemplarisch für die diskriminierenden Bedingungen für trans-Personen im „Betriebssystem Kunst“ angeführt werden

Blickpunkt: Konzept von Michaela Vater

Pets
Ein Ausstellungskonzept von Michaela Vater

Mein Ausstellungskonzept richtet sich an eine möglichst diverse Zielgruppe. Dabei bietet die Thematisierung von Haustieren in künstlerischen Positionen einen geeigneten niederschwelligen Zugang für Besucher*innen jeden Alters.
Das Thema „Tier“ wurde bereits in mehreren Ausstellungen behandelt. Unter anderem in „Tiere der Großstadt“ (2005), KÖRPERWELTEN der Tiere (erstmals 2010) und der Dauerausstellung des Schlossmuseums Linz.

Laut Statistiken sind in Österreich Hunde und Katzen die beliebtesten Haustiere, gefolgt von Nagetieren/Kleinsäugetieren, Fischen, Vögeln, Reptilien und Pferden. Auf Basis dieses Interessensprofils und dem Bestand der Lentos-Sammlung habe ich 18 Bilder sowie vier Plastiken ausgewählt. Vertreten sind 17 männliche Künstler sowie sechs weibliche Künstlerinnen, von denen 12 aus Österreich stammen. Die Mehrheit der Werke stammt aus dem 20. Jahrhundert und geben einen Einblick in die facettenreiche Kunstlandschaft der Zeit.

Die dynamische Mensch-Haustier-Beziehung spiegelt sich auch in den unterschiedlichen Techniken und Zugängen der Künstler*innen an die Materie wider. Wie wild sind unsere gezähmten Gefährten? Welche Eigenschaften schreiben wir ihnen zu? Diese Fragen finden in den Werken der Künstler*innen Anklang, ohne vollkommen beantwortet zu werden.

Raumplan der Ausstellung

Der Ausstellungsraum, in welchem sich der/die Besucher*in frei bewegen kann, bieten den Lebensraum für die tierische Kunst: auf sattem Grün und tiefen Blau kann man Werke wie „schlafender Dackel“ von Max Liebermann, „Eidechse“ von Margit Palme und die Kollaboration von Kowanz Brigitte und Graf Franz „Immer mehr zu befremden wonach Nähe benannt“ bewundern. So gelingt die Gegenüberstellung von Natur und Kunst in ausstellungsarchitektonischer Harmonie.

Anstatt in chronologischer oder kunstgeschichtlicher Anordnung befinden sich die Werke ohne Rücksicht auf Entstehungszeitpunkt oder stilgeschichtlicher Zuordnung nebeneinander. Stattdessen wurde auf farbliche Kriterien geachtet, um ein Erfahren der künstlerischen Positionen auf Basis ihrer ästhetischen Merkmale möglich zu machen. Der Fokus liegt schließlich nicht auf dem Kontext des Werks, sondern dessen Sujet.

Künstler*innen und Werkliste
(alle Werke sind hier inkl. Abbildung einsehbar)
Attersee Christian-Ludwig, Goldfischschere
Behler Johann, Schildkröten
Benedit Luis F., Bird Habitat (Toys by Artists)
Bremer Uwe, Ottos Mops tropft
Cornelie, Katze
Dutzler Franz, Vor dem Sprung
Goeritz Mathias, Die Schlange ( La Serpiente)
Gorka Livia, Vogel
Hain Alois, Katze (Pinsel)
Hegenbarth Josef, Sich leckende Katze
Hrdlicka Alfred: Der Hund
Kowanz Brigitte u Graf Franz, Immer mehr zu befremden wonach Nähe benannt
Kubin Alfred, Illustration zu: „Die schwarze Katze“ (in Edgar Allan Poe)
Kubovsky Peter, Gruppe farbiger Pferde
Kucerova Alena, Liebe (Variation I. „Hasen“)
Liebermann Max, Schlafender Dackel
Miyamoto Kazuko, Two dogs running pattern
Palme Margit, Eidechse
Pfaffenbichler Hubert, Katze im Sack
Stahl H., Drei Kinder mit Hund in Landschaft
Strobl Ingeborg, Katze Warschau
Weber Kurt, Hund mit Landschaft

Blickpunkt: Konzept von Melanie Jussel

cancer infirimum – Eine tödliche Stille
Ein Ausstellungsskonzept von Melanie Jussel

Seit Beginn meiner Studienzeit war es mir ein persönliches Anliegen, die Erkrankung Krebs künstlerisch zu thematisieren und besagter Thematik Raum für einen wichtigen und notwenigen Diskurs zu bieten. Im Rahmen der Lehrveranstaltung Labor: Blickpunkt Sammlung war es mir nun möglich, dieses Vorhaben in Form eines Ausstellungskonzepts zu verwirklichen.

Ausgangspunkt für meine Überlegungen war die Onlineplattform des Lentos Kunstmuseum Linz, welche einen großzügigen Bestand an künstlerischen Werken vorweist. Da das Genderverhältnis der Künstler*innen zu Gunsten des männlichen Geschlechts ausfällt, setzte ich den Schwerpunkt der Ausstellung bewusst auf eine Erkrankung von Männern. Wichtig war es mir bei meiner aktiven Werkrecherche die Themenausstellung möglichst international zu gestalten. Auch legte ich einen Fokus auf farbenreiche, abstrakte, neo-expressionistische Werke der 1970er- und 80er-Jahre, wie beispielsweise von Paul Meissner, Karel Apell aber auch Gudrun Kampl. Diese illustrieren in ihrer jeweiligen Konstellation je einen Teilaspekt einer Erkrankung, sowohl aus einer gesundheitlichen als auch aus einer seelischen Perspektive heraus.


Raumplan der Ausstellung

Hinsichtlich der Raumplanung und der Gestaltung des Lichts galt es ebenfalls die gewählte Thematik zu untermauern und so entschloss ich mich für einen Raum der Größe 16 x 10 m. Weiters zog ich eine Wand im ersten Drittel der Raumfläche ein, um eine Art „Eingangszimmer“ zu schaffen. Jenes gilt es entweder links oder rechts zu umgehen. In der Mitte der restlichen zwei Drittel der Fläche konzipierte ich ein Hexagon, welches dank seines flachen Daches, einen eigenen kleinen Raum bildet. Dabei weisen alle Wände der sogenannten Zelle eine ausreichende Höhe und Breite auf, um auch Menschen mit einer Gehbeeinträchtigung einen Zugang zu ermöglichen. Wie bereits angemerkt, teilt sich die Themenausstellung in fünf Teilaspekte der Krankheit auf: Körper, Gesundheit, Emotion, Innenleben und die Zelle – als Symbol für den Verstand des Virus als auch für den des Menschen selbst. Jeder Bereich, bzw. jede Wand, und jeder Werktitel soll zum Nachdenken einladen. Dabei soll die Reihenfolge der Begutachtung und Begehung des „Außen- und Innenraumes“ den Besucher*innen selbst überlassen werden.

Die Kunstwerke werden von zahlreichen Lichtquellen in Szene gesetzt. Der „Außenraum“ wird von bläulichem Licht erhellt, um die Ernsthaftigkeit der Thematik zu unterstreichen. Das Innere der Zelle hingegen wird in rötliches Licht getaucht und repräsentiert somit die körperliche Energie. Von gelblichem, freundlichem Licht werden – meiner Vorstellung nach – die Werke der letzten Wand, direkt vor dem Ausgang, beleuchtet.

 

Zu guter Letzt platzierte ich auf jenem Wandabschnitt ein großzügiges Whiteboard. Ich beabsichtige damit allen Besucher*innen die Möglichkeit zu geben, sich mittels einer positiven Message oder einem hinterlassenen Namen aktiv einzubringen. Nicht nur um Solidarität und Mitgefühlt auszudrücken sondern auch um einem möglicherweise erkrankten oder verstorbenen Menschen zu gedenken und den bereits angemerkten nötigen Diskurs, rund um die Krankheit Krebs, anzuregen. Sicherlich interessant für eine Weiterentwicklung des vorliegenden Konzepts wäre eine Zusammenarbeit mit der österreichischen Krebshilfe und die Einbindung von Kunstwerken betroffener Kunstschaffender.

Künstler*innen – und Werkliste:
(alle Werke sind hier inkl. Abbildung einsehbar)

Gemälde und Grafiken:
Kampl Gudrun, „Organkleid“, aus der Serie „Reisekleider“, 1998
Riedl Alois, Bank, 1973 (?)
Kolig Cornelius, Objekt, 1974/75
Stifter Wolfgang, Komposition mit roter Krebsschere, 1988
Prazak Cenek, Belebte Horizonte I, 1968
Persson Marga, Verschlossen (Markierung I), 1978
Bischoffshausen Hans, Schwarze Sonne, 1975
Prantl-Peyrer Uta, Komposition, 1970
Molles Andrew, Yellow Acolon (yellow acholon), 1970
Messensee Jürgen, Zwei Liegende, 1971
Bauer Ernst Arnold, Weg nach innen, 1970
Appel Karel, The Beast Within, 1992
Meissner Paul, Männlicher Akt, 1979
Kubovsky Peter, Männlicher Torso, 1998

Lichtskulptur:
Raynaud Patrick, Leuchtkopf, 1991

Skulpturen:
Soós Tamás, Melancholy, 1997
Raidel Anton, Durchbrochene Kugel, 1972
Jaindl Othmar, Der Gekeilte, 1966
Beck, Gerlinde, Komposition, 1964

Blickpunkt: Konzept von Dana Patsch

Die Vielseitigkeit des Porträts

Ein Ausstellungskonzept von Dana Patsch

Mein Ausstellungskonzept bezieht sich auf das Thema Mensch und wie dieses in der Kunst mithilfe des Porträts ausgedrückt wird. Dieses wurde aufgrund meines persönlichen Interesses gewählt, da es sehr spannend ist, wie sich das Porträt und dessen Bedeutung in der Kunst über die Epochen verändert hat. So sollte einerseits die Vielseitigkeit des Porträts und andererseits die Vielfältigkeit der Lentos Sammlung in den Fokus gerückt werden. Obwohl die Vielschichtigkeit des Porträts gezeigt werden sollte, mussten einige Grenzen gezogen werden, um einen roten Faden in der Ausstellung herstellen zu können. Daher konzentriert sich die Ausstellung vorwiegend auf Fotografien sowie Ölgemälde. Weiters wurde das Augenmerk auf Einzelbildnisse gelegt, wobei alle möglichen Ansichten der abgebildeten Person dargestellt wurden (z.B. Profilansicht, en face, Bildniskopf, Halbfigur etc.). Es wurde keine Differenzierung zwischen Porträts und Selbstporträts vorgenommen.


Raummodell

Nun zu den verschiedenen Positionen. Bei insgesamt 25 Werken sind 18 männliche sowie 6 weibliche Positionen zu verzeichnen. Es wurde ein großer Wert daraufgelegt, dass auch so viele weibliche Positionen wie möglich gezeigt werden. Die Künstler*innen kommen hauptsächlich aus Österreich und dessen Nachbarländern, da Verknüpfungen zwischen den Künstler*innen hergestellt werden sollten. Bei der Hängung wurde die interne Verknüpfung der Künstler*innen berücksichtigt (z.B. Pinell-Koller und dessen Tochter hatten einen regen Kontakt mit Klimt und Kokoschka). Deshalb hängen diese Werke nebeneinander. Weiters wurde versucht verschiedenste Stilepochen zwischen Ende des 19. Jhd. bis hin zu den frühen 2000ern auszustellen, um die Entwicklung des Porträts anhand der Stilepochen nachzuzeichnen.


Gemäldewand links

Fotowand rechts

Abschließend möchte ich noch kurz auf die Ausstellungsarchitektur eingehen, um die Ausstellung ein wenig zu visualisieren. Es wurde ein recht großer Raum für die Ausstellung gewählt (10mx16m), um genügend Platz für alle Werke zur Verfügung zu haben. Beim Eingang wurde ein von der Decke hängendes Bild (Hans Makart, Dame in Rot 1882/84) inszeniert um den Blick des/der Betrachters*in einzufangen (Wenn dieses Projekt in die Realität umgesetzt werden sollte, müsste man sich natürlich umfangreiche Gedanken über die Befestigung des Werkes machen, um weder die Besucher*innen noch das Werk selbst zu gefährden).


Herabhängendes Gemälde am Eingang: Hans Makart, Dame in rot 1882/84

Der Raum wird in eine linke Seite (Ölgemälde) und eine rechte Seite (Fotografien) aufgeteilt.Auf der rechten Seite wurde zusätzlich ein horizontaler blauer Farbstreifen eingefügt, da auf dieser Seite fast nur schwarz-weiß Fotografien hängen und die Farbe einen Bogen zur linken, recht farbigen Seite spannen sollte (die Farbe Blau wurde gewählt, da die Ölgemälde viele Blautöne enthalten. Wobei der/die Betrachter*in zuerst die linke Seite des Raumes begehen sollte. Hier werden vorwiegend Ölgemälde vom Ende des 19. Jhd. bis hin zu den 2000er Jahren vorgestellt. Die ersten (Silvia Koller, Portrait einer Dame & Koller-Pinell Broncia, Bildnis Theresia Coudenhove) und das letzte (Pietzyk, Andrzej, aus der Serie Claire Zachanassian) Gemälde werden mit Spots beleuchtet, um den Beginn und das Ende zu markieren. Vor allem das Gemälde von Pietzyk sollte den Übergang zu den schwarz-weißen Fotografien auf der rechten Seiter herstellen, da es ebenfalls in schwarz-weiß und grau Tönen gehalten ist. Auf der rechten Seite betrachtet man zuerst das Werk von VALIE EXPORT aus den 2000er Jahren, so wird die Geschichte der Stilepochen von vorne nach hinten aufgerollt. Der/Die Betrachter*in soll dazu aufgefordert werden im Kreis zu gehen, wobei er/sie immer einen flüchtigen Blick auf die gegenüberliegende Seite werfen kann, um zu sehen, wie das Thema Porträt zur gleichen Zeit in einem anderen Medium aufgegriffen wurde. Die Ausstellung wird mit drei im Raum stehenden Skulpturen abgerundet, welche die Veränderung des Porträts im Bereich der Plastik widerspiegeln sollen.


Linke Seite Gemälde der 1960er Jahre + Skulptur von Hrdlicka


Linke Seite der ersten Gemäldegruppierungen beim Eingang vom Anfang des 20. Jhd. bis hin zu den 1930ern


Rechte Seite Fotografien mit Werken von Anfang 20. Jhd. und einer Skulptur von Rodin
Linke Seite Gemälde der 1960er Jahre mit einer Skulptur von Hrdlicka

Werk- und Künstler*innenliste:
(alle Werke sind hier inkl. Abbildung einsehbar)
Bernhardt Walter, Porträt Josef Sudek
Breustedt Hans, sitzende Figur
Depner Margarete, Männlicher Akt
Egger-Lienz Albin, Ila, die jüngere Tochter des Künstlers
Export Valie, „Identitätstransfer III“
Export Valie, Selbstporträt mit Stiege und Hochhaus
Hanghofer Wolfgang, Prostituierte in der Rue Saint Denis
Hrdlicka Alfred, Porträt Oskar Kokoschka
Klimt Gustav, Frauenkopf
Kokoschka Oskar, Bildnis Marcel v. Nemes
Koller Silivia, Portrait einer Dame
Koller-Pinell Broncia, Bildnis Theresia Coudenhove
Kühn Heinrich, Portrait – The Mirror
Lassnig Maria, Der nicht emanzipierte Mensch (früher Selbstbildnis als Monster)
Makart Hans, Dame in Rot
Motesiczky von Marie Louise, Selbstporträt mit Birnen
Pietzyk Andrzej, aus der Serie Claire Zachanassian
Rainer Anulf, Lippenpressen
Ray Man, Porträt Marcel Duchamp
Ritter Walter, Frauenkopf (mit Einhorn)
Rodin Auguste, Porträt Victor Hugo
Rodtschenko Alexander, Portrait der Stapanowa
Scharff Christoph, ohne Titel (Portrait einer jungen Frau en face)
Scheidegger Ernst, Portrait Alberto Giacometti
Schiele Egon, Bildnis Trude Engel