Blickpunkt: Talk mit Brigitte Reutner-Doneus

Der Blick hinter die Kulissen
Ein Gespräch mit Brigitte Reutner-Doneus vom Lentos Kunstmuseum Linz
Ein Text von Tabea Tremmel und Angelika Wonisch

Was geht in einem Museum fernab und unbemerkt von den Besucher*innen vor? Welche Abläufe gestalten den Museumsalltag? Wir, eine Gruppe von Studierenden der Kunstuniversität Linz, haben uns auf eine Spurensuche begeben, um einen Blick hinter die Kulissen des Lentos Kunstmuseum Linz zu werfen. Brigitte Reutner-Doneus, die Leiterin der Grafik- und Fotografiesammlung des Lentos, hat sich die Zeit für ein Gespräch mit uns genommen, um uns einen Einblick in den Alltag als Sammlungsleiterin und Kuratorin eines international agierenden Kunstmuseums zu geben.

Wie genau kommt es eigentlich zu der, allem vorrausgehenden, Aufteilung der Ausstellungsprojekte unter den Kurator*innen?

Bevor ein Konzept für eine Ausstellung entwickelt wird, muss jemand die Leitung und Verantwortung für ein Projekt übernehmen. Wie und nach welchen Kriterien dies geschieht, möchten wir an dieser Stelle genauer betrachten.
Das Programm des Lentos Kunstmuseum Linz wird von der Direktorin Hemma Schmutz in Absprache mit den Kurator*innen entwickelt. Mindestens einmal im Monat werden Meetings mit dem Team abgehalten, bei denen zukünftige Projekte vorgeschlagen und diskutiert werden. Im Anschluss wird die Zuständigkeit über ein Projekt an eine Person im Haus übertragen. Laut Brigitte Reutner-Doneus ist nicht vorrangig ausschlaggebend, dass ein Projekt in den eigenen Sammlungsbereich passt, sondern vielmehr, dass das Thema von großem Interesse für sie ist.

Von der Idee zur fertigen Ausstellung

Nachdem ein Projekt übernommen wird, entsteht das Ausstellungskonzept. Dabei ist es ganz wichtig, sich persönlich mit den Themen identifizieren zu können und sich dafür zu begeistern. Es ist eine Art Spurensuche, ähnlich der unseren. Wer war die Künstlerin oder der Künstler? Welche Haltung hatte er/sie zur Lebzeit? In welchem historischen Kontext kann diese Kunst eingeordnet werden? Mit welchem politischen Bewusstsein trat die Künstlerin oder der Künstler an das Werk heran? Wichtig ist es, sich alle Bücher über die Thematik zu besorgen. Es geht darum, alles darzustellen wie es war und alles zu zeigen, was man herausfinden konnte. Künstler*innen haben eine Vorbildrolle, einerseits geht es um die Kunstwerke, aber andererseits auch um die Person.

Basierend auf all diesen Überlegungen müssen Leihanfragen an andere Institutionen übermittelt, Transporte organisiert und Versicherungen abgeschlossen werden. Weiters werden Ausstellungskataloge entwickelt und nach Fertigstellung in den Druck gegeben. Auch Saaltexte und Texte zu den einzelnen Werken werden in deutscher und englischer Sprache verfasst.

Ausstellungsansicht Friedl Dicker-Brandeis, Foto: Reinhard Haider

Frau Reutner-Doneus erzählte uns, dass sie auch andere Ausstellungen, zu ähnlichen Themen wie das des Projekts, besichtigt, um sich anzusehen, wie andere Institutionen diese oftmals schwierigen Themen aufgreifen und umsetzen. Wenn die Vorarbeit abgeschlossen ist, kommt es zuerst zum Aufbau der Ausstellungsarchitektur und dann zur Hängung. Zuletzt wird die neue Ausstellung eröffnet. Frau Reutner-Doneus ist bei diesen Vorgängen die Verantwortliche und die Person, bei der alle Fäden zusammenlaufen.

Die Ausstellung zu Friedl Dicker-Brandeis

Die aktuelle Ausstellung ist ein wunderbares Beispiel für das Ergebnis dieser im Verborgenen liegenden Vorarbeit. Friedl Dicker-Brandeis war eine jüdische Künstlerin und Designerin aus Wien. Sie war außerdem Schülerin am Bauhaus. Ihre Arbeiten sind vielschichtig und umfassen Möbelentwürfe, Typografien, Fotocollagen, Textilkunst, Bucheinbände, etc. Die Künstlerin wurde 1944 in Auschwitz ermordet. Ihre Arbeiten werden von Jänner bis Mai 2022 im Lentos präsentiert.

Ausstellungsansicht Friedl Dicker-Brandeis, Foto: Reinhard Haider

Zu schade für die Lade

Bei dem Konzept Zu schade für die Lade, das von Brigitte Reutner-Doneus entwickelt wurde, handelt es sich um eine Präsentation von Grafiken, die in der Sammlung des Lentos drei bis viermal jährlich ausgetauscht werden. Diese Idee entstand zu einem großen Teil aus praktischen Gründen: Beim Lentos Kunstmuseum Linz handelt es sich um ein Oberlicht- Museum. Dies ist auch der Grund des erhöhten Lichteinfalls, der besonders geeignet für das Ausstellen von Gemälden ist, aber leider nicht vorteilhaft, wenn es um Grafiken geht. Dieser Umstand würde vielen Grafiken, ohne dieses Konzept, die Möglichkeit nehmen überhaupt gesehen zu werden, da die Sammlungspräsentationen länger zu sehen sind als regelmäßig wechselnde Themenausstellungen. Zudem muss berücksichtigt werden, dass diese Werke, damit sie durch das Licht nicht beschädigt werden, grundsätzlich nicht länger als vier Monate ausgestellt sein sollen. Es wurde hier also eine innovative Möglichkeit geschaffen, um den Besucher*innen einen größeren Einblick in die Museumsschätze zu geben.

Was tun mit Schenkungen?

Es kommt öfter vor, dass das Lentos Kunstmuseum Linz für eine Schenkung angefragt wird, oftmals handelt es sich hierbei um Nachlässe aus Privatbesitz. Dabei gilt es zu beachten, ob die räumlichen und personellen Ressourcen gegeben sind, diese Werke in die Sammlung aufzunehmen und ob sie zum Schwerpunkt des Museums passen. Aus Platz- oder Zeitgründen können manche Schenkungen nicht angenommen werden. Fachgerechte Aufbewahrung und eine wissenschaftliche Aufarbeitung bilden die Voraussetzung für die Annahme einer Schenkung. Wenn es dazu kommt, wird beispielsweise der Nachlass sortiert, systematisch erfasst und kommt in die Datenbank des Lentos.

Der Nachlass der Künstlerin Emmy Haesele

Ein Salzburger Galerist ist an das Lentos Kunstmuseum herangetreten, um eine Ausstellung über die österreichische Künstlerin Emmy Haesele zu machen. In weiterer Folge wurde ein Teil des Nachlass der Künstlerin dem Lentos als Schenkung angeboten. In diesem Fall wurde dieser auch angenommen.

Der Nachlass umfasst Grafiken, 6 Archivschachteln voller Briefe (diese beinhalten über 50 Jahre Briefwechsel zwischen dem Künstler Alfred Kubin, Archivar Kurt Otte und Emmy Haesele), Ausstellungsdokumentationen und Tagebücher.

Bei der Ausstellungskonzeption war es für Frau Reutner-Doneus wichtig, die Vielschichtigkeit und Ambivalenz der Künstlerin darzustellen. 2021 wurden ihre Arbeiten im Untergeschoss des Lentos ausgestellt.

Ausstellungsansicht „Die gezeichnete Welt der Emmy Haesele“, Foto: maschek

Tipps für jene, die gerne Teil des Museumsbetriebs werden möchten

Die beste Möglichkeit, Einblicke in die Arbeit eines Museums zu bekommen, ist ein Praktikum. Wie werden Objekte richtig beschriftet? Wie inventarisiert man ein Kunstwerk? Wie werden Vitrinen bestückt? Bei einem Praktikum im Lentos wird man in die Ausstellungsvorbereitung involviert und gleichzeitig eröffnet sich ein großes Lernfeld. Darüber hinaus ist es möglich, auch im Rahmen einer Masterarbeit oder Dissertation ans Lentos heranzutreten.

Durch das Gespräch mit Frau Reutner-Doneus konnten wir einen Blick auf die einzelnen Schritte werfen, die es braucht, um eine Ausstellung zu realisieren. Spannend fanden wir, dass sich das Lentos schon seit mehreren Jahren auch einen feministischen Schwerpunkt gesetzt hat.

Zur Person Brigitte Reutner-Doneus

Brigitte Reutner-Doneus ist die Leiterin der Grafik- und Fotografiesammlung des Lentos Kunstmuseum Linz und das bereits seit dem Jahr 2003. Sie absolvierte das Studium der Kunstgeschichte in Wien und Salzburg. Als Leiterin der Grafik- und Fotografiesammlung hat Frau Reutner-Doneus die Verantwortung für ca. 14.000 Grafiken. Damit sind im Lentos alle Werke auf Papier gemeint. Diese Werke sind geordnet und sicher in einem eigenen Grafikdepot verwahrt. In den letzten Jahren entstanden unterschiedliche Ausstellungen, die Frau Reutner- Doneus als Kuratorin ungesetzt hat.
Hier, eine kleine Auswahl an Projekten: Die gezeichnete Welt der Emmy Haesele (2021), Lassnig und Rainer. Das Frühwerk (2019), Auguste Kronheim. Begleiterscheinungen (2017/18) und Fräulein Newalds Gespür für die Stille (2014).