Blickpunkt: Konzept von Christin Seirl

Verqueerter Blick
Queering the Gaze
Ein Ausstellungskonzept von Christin Seirl

Queeren Menschen und Denkweisen gilt stets noch zu wenig Aufmerksamkeit im musealen Ausstellungsbereich. Zwar wird versucht mit weiblich zentrierten Ausstellungen der patriarchalen Kunstwelt entgegenzutreten. Doch gibt es weiters auch koloniale, heteronormative wie klassizistische Strukturen im Kunstgeschehen, welche dadurch nicht angesprochen werden.

Demnach entschied ich mich dafür, einen queer-zentrierten Ausstellungsraum zu gestalten. Zu beachten ist hier, dass ich den Begriff ‚Queer‘ nicht nur auf Sexualität beziehe. Die Synonym-artige Verwendung von Queer sein und Sexualität wird tatsächlich immer kritischer betrachtet (vgl. Hufschmidt 2018: 30). Denn eigentlich bezeichnet ‚Queerness‘, oder eine queere Einstellung, die kritische Auseinandersetzung mit vorherrschenden Strukturen. Spezifisch gemeint ist damit das binäre Geschlechtermodell bzw. Heteronormativität[1] (vgl. Katz/Söll 2018: 2).

Im Vordergrund steht in meinem Raum daher die Auseinandersetzung mit dem Körper und seiner selbst. Dabei habe ich so weit wie möglich Abstand von stereotypischen Geschlechtsdarstellungen genommen. Und diese zugleich durch meine Präsentation hinterfragt.

Interessant für mein Konzept war außerdem die Frage nach der Möglichkeit einer queeren Ausstellung. Denn betrachtet man den Kunstsammlungsbestandes des Lentos Kunstmuseum Linz, ist die Prägung von weißen, männlichen, cis-hetero Künstlern immer noch deutlich zu spüren. Trotz vieler Bemühungen weiblicher Führung.

Letztlich stellte sich eine ‚queere‘ Raumgestaltung jedoch als möglich heraus.

Dabei konnte ich erkennen, dass speziell das wie sowie der Kontext, unter welchen ich die Werke ausstellen würde, essenziell ist. Durchaus lassen sich Werke von nicht queeren Personen unter einem queeren Kontext betrachten und kuratieren. Daher ist mein hypothetischer Ausstellungsraum weder ein Kuratieren queerer Positionen noch eine Essentialisierung der Queerness von Künstler*innen. Tatsächlich würde ich meine Konzeptidee als queeres Kuratieren bezeichnen.

Als Beispiel möchte ich hierfür einen von mir gestalteten Wand-teil heranziehen:
Zu sehen ist das Werk „Mädchen mit Orange (Kinderbildnis)“ von Koller Silvia. Schnell wird ersichtlich, dass ich Titel und Künstlerinnennamen groß neben das Werk anbringen, und den Titel folglich verändern möchte: „Koller Silvia, Mädchen Kind mit Orange (Kinderbildnis)“. Auf einem typischen Ausstellungsschild würden die vollen Daten und der richtige Titel natürlich neben oder unter dem Werk angebracht werden.

Das Durchstreichen des Begriffes ‚Mädchen‘ und der folglich stattfindende Austausch mit dem Begriff ‚Kind‘, ist eine klarer Gedankenanstoß. Hinweisen möchte ich dabei auf die strikte binäre Geschlechtereinteilung, welche schon vor der Geburt eines Kindes passiert, wenn sich nicht mit Sicherheit behaupten lässt, wie sich ein Kind und deren Geschlechtsidentität entwickeln wird. Diese Entscheidung wird zunächst von Ärzt*innen und Eltern übernommen. Wohl lässt sich dieser maßgebliche Entscheidungseingriff, in die sich entwickelnde Identität eines Kindes, kritisch hinterfragen.

Jenes würde ich textlich neben dem Werk anbringen.

Zusätzlich möchte ich noch ein paar wenige queere Künstler*innen/Werke nennen, die im Lentos Linz Kunstmuseum selbst vertreten sind. Und deren Herangehensweise ich auch als ‚Queer‘ bezeichnen würde. Auf diese wurde ich in der gemeinsamen Diskussion im Anschluss an meine Präsentation mit der Lehrveranstaltungsgruppe aufmerksam gemacht :

Das Künstler*innenpaar EVA&ADELE, deren Werke gegen Gender- und Sexualitätsnormen stehen

Die genderqueere Künstlerpersönlichkeit Jakob Lena Knebel

Das Projekt „Wildness“ (Entstanden in Zusammenarbeit mit Trans-Personen) von Nilbar Güreş

Keith Haring, Künstler und Aktivist im Bereich der LGBTIAQ+ Community

 

[1] Im Prinzip lässt sich Queerness (bzw. die Queer-Studies) mit den Post-kolonial-Studies vergleichen. Welche sich in deren Forschung mit kolonialen wie rassistischen Strukturen befassen.

 

Quellenverzeichnis

Katz, Jonathan/Söll, Änne (2018): Editorial: Queer Exhibitions/Queer Curating, in: Katz, Jonathan/Hufschmidt, Isabel/Söll, Änne (Hrsg.), Queer Curating, [online] https://www.on-curating.org/files/oc/dateiverwaltung/issue-38/PDF_To_Download/oncurating_37_queer_WEB.pdf [zuletzt abgerufen am 01.02.2022]

Hufschmidt, Isabel (2018): The Queer Institutional, Or How to Inspire Queer Curating, in: Katz, Jonathan/Hufschmidt, Isabel/Söll, Änne (Hrsg.), Queer Curating, [online] https://www.on-curating.org/files/oc/dateiverwaltung/issue-38/PDF_To_Download/oncurating_37_queer_WEB.pdf [zuletzt abgerufen am 01.02.2022]

 

Künstler*innen – und Werkliste:
(alle Werke sind hier inkl. Abbildung einsehbar)

Koller Silvia – Mädchen Kind mit Orange (Kinderbildnis),1925
Moser Kolo, Venus in der Grotte III, 1916
Siewert Clara, „Venus“ (Weiblicher Akt), o. D.
Kampl Gudrun, „Die hölzerne Venus II“, aus der Serie: „Gefühlsgarderobe“, 1998
Fischnaller Josef, Liegende Figur, 1961
Kasper Ottilie, Selbstbildnis, vor 1947
Vilma Eckl, Selbstbildnis, 1947
Kollwitz Käthe, Selbstbildnis, 1920
Fröhlich Fritz, Selbstbildnis, 1947
Siewert Clara, Selbstbildnis, 1917
Maria Lassnig, Der nicht emanzipierte Mensch (früher Selbstbildnis als Monster), 1967
Maria Lassnig, Selbstbildnis mit Telefon, 1973
Jungwirth Martha, Selbstportrait mit Fred Schmeller,1983
Kolig Anton, Liegender männlicher Akt, 1942
Schüssler Karl, Selbstbildnis,1970
Margit Palme, Liberty muss Maske tragen, 1986
Mack Karin, „Wir“, 1975
Koller Silvia, Clown, o. D.
Liemberger Rudolf (Max), Menschliche Figur, 43 x 30,6 cm, o. D
Liemberger Rudolf (Max), Menschliche Figur, 42,9 x 30,6 cm, o.D
Praetterhofer Hans, Figur auf allen Vieren: große Demutsfigur, 1976
Passini Rita, Figuren, 1931
EXPORT VALIE, Syntagma, 1983
EXPORT VALIE, „EROS/ION“, 1971 (1996)
Messensee Jürgen, Akt, 1981
Fleischmann Trude, Claire Bauroff, Aktstudie II, aus dem Portfolio: Fotografien 1918 – 1938Liebermann Max, Simson und Delila, 1902