THE EXPANSION OF THE FEMALE.
Eine Auflösung der Geschlechter
Ein Ausstellungskonzept von Valentina Ritt
Beim Titel „The expansion of the female“ mag man vorerst an eine feministische Ausstellung denken – bei dem Untertitel „Eine Auflösung der Geschlechter” wird man zum Grübeln verleitet. Der weibliche Aspekt ist durch den Aufholbedarf, unter anderem in der Kunst, en vogue, weshalb diese Ausstellung ergänzend zu der aktuellen Ausstellung des Lentos mit der Wiener SAMMLUNG VERBUND „Female Sensibility“ Raumplan wirkt. Durch die Auswahl des größten Ausstellungsraumes war es mir möglich 49 Werke unterzubringen, wobei ich stolz auf meine Künstlerinnenquote von 43 % bin – es werden 25 Künstler und 19 Künstlerinnen ausgestellt. Die Ausstellung soll ein Umdenken des Gendersystems anregen, indem sie einen „konventionellen“ Lebensweg einer cis-Frau aufzeigt, diesen anschließend jedoch annulliert.
Raumplan der Ausstellung
Betreten wir den 40 x 21 m langen Raum, begrüßt uns ein in dunkelpink gehaltenes Gangsystem, das die Gänge der beiden Eingänge zusammenführt. Durch den gedämpften Lichteinfall und die Farbauswahl, sowie Materialeinsatz soll ein höhlenartiges Gefühl vermittelt werden – weshalb auch mehr Abstand zwischen den Bildern gewählt wurde, damit diese nicht erdrückend wirken. Auf beiden Seiten findet man äquivalente Sujets der Bilder – Abbildungen von Mädchen1,2, zum Ende hin wird der „Tod des Mädchens“ in vier Ausführungen behandelt. Bevor wir durch einen samtig, ebenso in rosa gehaltenen Vorhang in einen weiteren, etwas größeren Gang schreiten sehen wir die farblich abgehobenen Definitionen eines Mädchens, sowohl auf Deutsch wie Englisch.
Von links nach rechts: [Definition girl lt. Cambridge Dictionary], Hundertwasser
Friedensreich – Mädchen und Knabe (1951), Reichel Carl Anton – Maria (1935), Siewert Clara – Mädchen mit Tod (1920), Hrdlicka Alfred – Der Tod und das Mädchen (1972)
Von links nach rechts: Freise Johanna – Peep Show (1991), Jungwirth Martha – Dame in Situation (1971), Kokoschka Oskar – Männlicher und weiblicher Akt sitzend (1913), Hoflehner Rudolf – Ohne Titel (Frau) (1948), Hauke Hans – Passion von Frau Geyer-Koref (1950 Eingang), Andersen Robin Christian – Sinnende (1920), Fleck Karl Anton – Ohne Titel (Liegender weiblicher Akt) (1979), Wach Aloys – Liegender weiblicher Akt (1920)
Wir befinden uns nun in der Erwachens- oder Awakening Phase3, das Mädchen macht in Johanna Freises „Peep Show“ erste Erfahrungen und setzt sich folgend mit ihrer Sexualität auseinander, die Frau wird auf unterschiedlichste Weisen gezeigt. Inmitten finden wir wieder eine zweisprachige Definition, diesmal vom Weiblichen. Wir kommen an einem weiteren Samtvorhang an und betreten einen rosa gehaltenen Gang, diesmal führt er uns zu einer farblich passenden Doppeltür. Bevor wir diese jedoch durchqueren verorten wir uns in der Thematisierung der Mutterschaft4. Neben den Definitionen der Mutter befinden sich Werke der Meister Schiele und Kollwitz, wie gegenüberliegend Allegorien wie Kubins „Unser Aller Mutter Erde“ oder Koller-Pinells „Eva“ und im Zentrum eine Mutter-Kind-Statue der Bakongo Baulé.
Nun sind wir beim Finale, oder wie hier betitelt Metamorphose5, angelangt in welchem die gesamte vorhergegangene Thematik über Bord geworfen wird. Es soll gezeigt werden, dass nicht alle Frauen kleine Mädchen waren, noch haben sie eine „klassische“ Rollenzuweisung und sowieso ist das alteingesessene binäre Gendersystem zu starr. Wenn man den letzten Raum betritt, mag dem Ein oder Anderem das Geburtskanalsystem dieser Ausstellung auffallen – wir befinden uns nun in der Gebärmutter. Beim Betreten springt die eigens, für diese Ausstellung angefertigte, durchgehbare Spiegelbox (5 x 5 m) ins Auge. Diese bildet das Zentrum des Raumes und soll zu einer Auseinandersetzung mit sich selbst, wie einer Konfrontation mit den durchgestrichenen Definitionen, die uns bisher begleiteten, konfrontieren – gedacht wäre dies nach der Beschäftigung mit den Werken wie Informationstexten.
Links finden wir Thematisierungen von Rollenbilder der Frau wie anhand der Mutter („Messerschnullerhände“ Renate Bertlmann), der Künstlerin (women artists, Sophia Süßmilch) und in der Ecke lehnt die fragile „The Glass Woman“ (Mathilde Ter Heijne). Rechts finden wir eine Problematisierung der Genderthematik, versucht zu unterstreichen mit einem „Quadratisches Selbstportrait“ (Maria Lassnig), sowie VALIE EXPORTs „Genitialpanik“. Auch sehen wir hier Informationen zu, sowie ein Bild von Nilbar Güres Projekt „Wildness“, wo diese mit transsexuellen Frauen in Sao Paolo kooperierte. Am Ende des Raumes sehen wir das projizierte Video „undo“ (Olena Newkyrta) – eine Nähmaschine wird im Rückwärtsgang gezeigt, wobei Namen wichtiger Textilkünstlerinnen zum Vorschein treten. Das Video soll eine Auflösung der fest eingefahrenen Bilder in Familie, Sexualität und Gender symbolisieren.
Werk- und Künstler*innenliste:
(alle Werke sind hier inkl. Abbildung einsehbar)
Andersen Robin Christian, Sinnende
Öl auf Leinwand
1920
Bertlmann Renate, „Messerschnullerhände“
Pigmentdruck auf Fotopapier
1981-2015
Bilger Margret, „Was macht mein Kind….(Brüderchen und Schwesterchen)“
Holzriss auf Japanpapier
um 1942 (-1943)
Böhler Hans, Knieender weiblicher Akt
Bleistift
1976 (Eingangsdatum)
Brus Günter, Liegender weiblicher Akt
Schwarzer Kugelschreiber auf grauem Papier
1983 (Eingangsdatum)
Buchegger Petra, Pin me up, baby; Mappe der IG Bildende Kunst, Edition ’04
Siebdruck, dreifarbig auf Fabriano Bütten
2004
Corinth Lovis, Frau vor dem Spiegel
Öl auf Leinwand
1953 (Eingangsdatum)
EVA & ADELE, Frehel-Bloc
Mischtechnik auf Papier (Tusche, roter Nagellack, Alupapiercollage, Spitzenbordüre)
2006
EVA & ADELE, Futuring Company
Aquarell auf Papier
2003
EXPORT VALIE, Aktionshose: Genitalpanik
Fotodruck, Offsetdruck
1969
Zum Austausch: EXPORT VALIE, „Identitätstransfer I“
SW-Fotografie
2000 (1968)
Fleck Karl Anton, Ohne Titel (Liegender weiblicher Akt)
Lithographie
1979
Freise Johanna, Peep Show
Öl auf Leinwand
1991
Funke Helene, Drei Frauen
Öl auf Leinwand
1915
Güres Nilbar, Wildness
C-Print
2014
Haesele Emmy, Ohne Titel (Frau mit Harfe)
Tusche und Aquarell auf Büttenpapier
1937
Hauke Hans, Passion von Frau Geyer-Koref (11 Holzschnitte)
Holzschnitt auf Papier
1950 (Eingangsdatum)
Hegenbarth Josef, Nacktes Mädchen vor dem Spiegel
Mischtechnik auf Papier
1960
Hoflehner Rudolf, Ohne Titel (Frau)
Mischtechnik (Feder in Tusche mit Tempera laviert), darüber farbloser Lack
1948
Hrdlicka Alfred: Der Tod und das Mädchen
Radierung auf Bütten
1972
Hundertwasser Friedensreich, Mädchen und Knabe
Rotaprintlitho
1951
Jones Allen, Zwei Mädchen
Öl auf Leinwand
Jungwirth Martha, Dame in Situation
Pastell
1971
Karger Alfred, Totes Mädchen
Tusche
1957
Klimt Gustav, Frauenkopf
Öl auf Leinwand
1917
Kokoschka Oskar, Männlicher und weiblicher Akt sitzend (Das Weib hält den Kopf des Mannes)
Strichätzung nach Kreidelithographie (OKA-Druck) auf Papier
1913
Kolig Anton (zugeschrieben), Adam und Eva im Paradies
Holzschnitt auf Papier
1984 (Eingangsdatum)
Koller Silvia, Mädchen
Aquarell
1958
Koller-Pinell Broncia, Eva
Holzschnitt
1903
Kollwitz Käthe, Mutter mit Kind auf dem Arm
Fotolithografie auf Büttenpapier
1916
Kubin Alfred, „Unser aller Mutter Erde“
Faksimile (Original: Tusche, laviert, gespritzt auf Katasterpapier)
um 1901-1902
Kubin Alfred, Skizzenblatt zu: „Der Tod und das Mädchen“
Bleistift auf Papier
1922-23
Lassnig Maria, Quadratisches Selbstportrait
Kohle auf Papier
1961
Mueller Otto, Badende Mädchen, „Sommer“ (Originaltitel im Anger-Museum Erfurt)
Leimfarbe auf Jute
um 1918
Newkryta Olena, „undo“
Video
2014
Oberhuber Oswald, Frau
Monotypie mit Bleistift
1949
Palme Margit, Sinnende Frau
Aquatintaradierung auf Büttenpapier
1973
Palme Margit, Sommer
Aquatintaradierung auf Büttenpapier
1973
Paul Klee, Kind an der Freitreppe
Offsetdruck auf Papier
1923
Picasso Pablo, „Deux Femmes sur la Plage“ (Zwei Frauen am Strand)
Kreidelithographie auf Büttenpapier
1956
Reichel Carl Anton, Maria (Mädchenbildnis im Profil)
Kaltnadelradierung auf Büttenpapier
1935
Schiele Egon, Mutter mit Kind in rotem Mantel
Aquarell
1911
Siewert Clara, Mädchen mit Tod
Tusche und Kohlezeichnung aquarelliert auf Papier
um 1920
Strohofer Hans, Zwei Mädchen
Feder in Tusche, laviert, Bleistift auf Papier
1908
Süßmilch Sophia, SOSU 32/19, women artists
C-Print
2019
Wach Aloys, Liegender weiblicher Akt
Bleistift
1920
Plastiken
Bakongo Baulé, Mutter-Kind-Figur
Holzskulptur
1995 (Eingangsdatum)
Kampl Gudrun, „Die hölzerne Venus II“, aus der Serie: „Gefühlsgarderobe“
Ahornholzkorpus,4 Holzfüße, 3 Kleiderhaken, Stofflunge/Seide
1998
Ter Heijne Mathilde, The Glass Woman
lebensgroßer Dummy, Epoxy, Kleider
2004